Sicherheit, Fahrlässigkeit und Gewöhnung

Mittlerweile hat’s bestimmt jeder gesehen: Der große Massad Ayoob persönlich hatte eine ungewollte Schussabgabe.

Um es noch spannender zu machen: Er hatte eine auf seinem eigenen Kurs, dem MAG-40, vor ganz viel Publikum. Und dabei waren als Co-Trainer Paul Carlson von Safety Solutions und John Johnston vom Ballistic Radio Podcast, also zwei der großen „up-and-coming“-Ausbilder.

Das Internet ist voll von Kommentaren. Mas selbst hat zwei Artikel, John Johnston hat einen, Paul Carlson auch.

Was ist nun passiert? Eigentlich was ziemlich interessantes: Mas Ayoob hat eine echte Waffe genommen, in die Luft gehalten und demonstriert, wie der „surprise break“ funktioniert. (Mache ich auch, allerdings Richtung Kugelfang). Und dann war er echt überrascht, als ein Schuss los ging. (Wäre ich auch). Der Witz dabei: Er hatte vorher in die Waffe geguckt. Und seine Co-Ausbilder wohl auch.

Die aktuelle Theorie ist, dass alle drei eine verschmauchte, silberne Hülse übersehen haben, die in einer verschmauchten, silbernen Trommel saß und die eventuell beim Öffnen der Trommel zurück in selbige gerutscht ist.1

Die Kommentatoren überschlagen sich, Mas zu gratulieren, dass er zu seinem Fehler steht. Naja, müsste man sagen, ist das Internet-Zeitalter, wer nicht zu sowas steht, hört es nachher eh‘ von allen. Aber Mas Ayoob hat schon viele Fehler eingestanden2, insofern halte ich das ebenfalls für einen soliden Charakterzug und nicht Schadensbegrenzung.

John Johnston und Paul Carlson stellen beide fest, dass ihnen das Tempo im Kurs eigentlich zu hoch war, sie aber beide nicht genug Eier in der Hose hatten, mal „Stopp“ zu rufen. Carlson nennt das den Bystander-Effekt, Johnston macht dabei eine kluge Referenz zu William Aprill auf, der imho wiederum Boyd zitiert: Man muss für sich eben doch Linien im Sand definieren, ab denen bestimmte Verhaltensmuster greifen. Denn wenn man immer noch überlegt „ist das jetzt zu schnell, ist das jetzt gerade zu viel Risiko?“, dann ist man immer noch damit beschäftigt, während das Ereignis schon viel weiter ist. OODA und so.

Carlos weißt außerdem darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen „cold range“ und „hot range“ auch zum Problem beigetragen hat, ein Thema, das man eigentlich dadurch erschlägt, dass man sagt „die Vier Sicherheitsregeln gelten immer“. Zumal das ganze ja glimpflich ausgegangen ist, weil Mas Ayoob ja zumindest eine halbwegs sichere Richtung ausgewählt hatte, Sicherheitsregeln verstärken sich und so.

Aber das ist imho alles weniger interessant als das, was ein Kommentator erwähnt: Shisa Kanko. „Zeigen und ausrufen“. Eine japanische Technik, um bei trägen, langweiligen und repetitiven Tätigkeiten sicher zu stellen, das noch genügend Aufmerksamkeit vorhanden ist, um Fehler auch wirklich zu bemerken. In Japan ist das populär, und die Unfallstatistik spricht wohl dafür. Viele Artikel weisen aber darauf hin, dass das außerhalb unattraktiv ist und es außerhalb der New Yorker U-Bahn keiner gerne macht, und vermutlich, weil’s irgendwie peinlich ist.

Aber irgendwie finde ich das gut. Nun hab ich jahrelang immer brav erklärt, dass man den Ladezustand sowohl sehen als auch fühlen kann. Ich will mir ab jetzt angewöhnen, den Ladezustand immer zu sehen, zu fühlen und auch anzusagen. Also: „Patronenlager frei“ und „kein Magazin im Schacht“. Und bei AR-15s zusätzlich noch „keine Patrone oberhalb des Lagers“ (bolt override / bot over base). Und immer die Finger schmutzig machen.