Weg mit der Pistole, her mit dem Revolver, Teil 2

Ich hatte einen zweiten Teil zum Thema Revolver und Pistole im Bereich Concealed Carry angedroht. Noch mal zur Erinnerung: „Concealed Carry“ ist ein Begriff aus den USA.

Was Concealed Carry ist

Die USA mit dem Recht auf’s verdeckte Führen von Waffen fast in allen Bundesstaaten. Nun muß man im Kopf halten: Das „concealed“ bedeutet so viel wie „mach die Schafe nicht unruhig“.

Anders gesagt: Wer keine Ahnung von Schusswaffen hat, kriegt nicht mit, dass das Gegenüber eine Waffe führt. Das funktioniert bei normalen Bürgern genau so wie bei den meisten Polizisten und Kriminellen. Ich habe es in meinem AIWB-Experiment vor Jahren ja selbst ausprobiert – 6 Monate lang hat niemand mein AIWB-Holster samt Taschentuchpackung (wenn unterwegs) oder Blue Gun (wenn zuhause) skeptisch wahrgenommen.

Deswegen kann John Johnston vom ballisticradio-Podcast eine Glock 19 mit Kompensator, Waffenlicht, Rotpunkt und fettem Magazin führen – auch, weil er dann wieder Witze machen kann, wie fett er gerade ist, aber vor allem, weil es hier eben um Concealed Carry geht und nicht um ernsthaft verdecktes Führen.

Denn die Konsequenzen, wenn es mit dem Concealed Carry in den USA nicht klappt, sind nicht so groß. Im schlimmsten Fall gibt es da Strafen für „brandishing“, also das Drohen mit der Waffe; allerdings sieht das meiner Meinung nach eher Angstmache unter Waffenbesitzern aus, habe ich doch noch keinen erbosten Bericht darüber gelesen, dass es gegen jemand verdeckt Führenden angewendet wurde. Eventuell geht der Arbeitsplatz verloren, wenn der Arbeitgeber das Führen von Waffen verbietet und man erwischt wird. Aber ganz ehrlich: Wirklich weh tut das nicht.

Was CC nicht ist

Denn das ist nicht das gleiche wie das verdeckte Führen, was der Amerikaner „non permissive environments“ nennt. Letzteres ist also der Drogenfander, der Undercover ermittelt, und der auffliegen würde, wenn jemand seine gut gepflegte Glock 19 im AIWB-Holster sehen würde. Oder der Bürger, der eine Waffe führt in einem Unrechtsregime, wo das schlichtweg komplett verboten ist. Da erwischt zu werden ist was, was weh tut.

Wenn wir über solche Szenarien reden, dann werden ganz andere, kleinere Waffen und umständlichere Trageweisen interessant.

Über Trageweisen will ich hier nicht viel reden – alle fünf Jahre scheint irgendwer in den USA das Sparrow-Holster wieder zu erfinden und sich wie ein Innovator zu fühlen. Aber praktisch findet ihr die Techniken überall auf Instagram (zum Beispiel bei Ed Calderon) und mit etwas Kydex-Künsten und einem vom großen Paul Gomez inspirierten Abzugsbügelholster kriegt ihr die auch sicher gemacht.

Zurück zu meinem aktuellen Lieblingsthema: Revolver. Und, weil ich nun mal ich bin, natürlich kleine Revolver.

Deep concealment

Wenn auf einmal die Glocks mit zweireihigen Magazinen rausfallen, da zu dick, dann ist der Kapazitäts-Unterschied zwischen Revolver und Pistole nicht mehr so groß. Und wenn man schon bereit ist, auch über Kaliber wie .380 Auto in der Glock 42 nachzudenken, dann ist .38 Spec auch nicht mehr anämisch sondern ein über Jahrzehnte erprobtes Kaliber. Das finde ich großartig, endlich verschwindet dieser Block im Kopf, dass es eine feste Untergrenze für Patronenleistung gibt.

Hey, manche Leute überlegen ja sogar folgendes:

  1. Die meisten Konflikte werden gelöst, wenn jemand eine Waffe zieht.
  2. Die nächst-kleinere Menge an Konflikten wird gelöst, wenn jemand aus einer Waffe angeschossen wird.
  3. Die kleinste Menge an Konflikten ist die, wo der Gegner wirklich erschossen werden muss.

Um die Problemklassen 1 und 2 zu lösen und eine akzeptable Chance für Klasse 3 zu haben, reicht Kaliber .22lr. Greg Ellifritz hat ein sehr schönes Plädoyer für einen 8-schüssigen Airweight Revolver in 22lr auf seiner Seite – da stimmen alle Parameter: Die Kapazität ist super für die Größe, Revolver ist bei den zickigen 22ern die beste Lösung, der Rückstoß ist so gering, dass die Trefferquote auch bei einer superleichten Waffe traumhaft sein wird. In seinem Beispiel ideal für einen alten Mann mit Arthritis.

Auch das finde ich exzellent, das ist nämlich endlich mal eine Analyse, wofür meine eine Schusswaffe wirklich braucht, statt die Anwendung dem existierenden oder erträumten Gerät anzupassen. Dann gucken wir mal auf den Einsatzort.

Die Mär von der Terroristenabwehr

Wer unbedingt eine Roland-Special Glock 19 mit Kompensator (Tautologie), Rotpunkt und Waffenlicht tragen will, der findet in seiner Phantasie auch Anwendungen dafür. Genau so das ultrakompakte AR-15, in den USA gerne waffenrechtlich als Pistole mit Unterarmstütze ausgeführt und als „Truck Gun“ beworben.

Klar, man wird sich sicherlich ärgern, wenn man mal in eine Situation gerät, wo man einen Terroristen am anderen Ende der Shopping Mall mit einem präzisen Kopfschuss außerhalb des Explosionsradius seines Sprengstoffgürtels ausknipsen muss und die passende Waffe steht im Waffenschrank drei Bundesstaaten weiter. Und nicht schnell griffbereit im verschlossenen Kofferraum des eigenen Pickups in der Tiefgarage, nur einen Aufzug entfernt. Oder besser: Sie steht griffbereit irgendwo im Kopf des Phantasten, der sich das ausgedacht hat.

Nun gibt es durchaus solche Situationen, wo es wirklich darum geht, einen oder mehrere Terroristen auf größere Distanzen mit einer Kurzwaffe aufzuhalten. In meiner Erinnerung zum Beispiel Kevin Vickers 2014 beim Angriff auf das kanadische Parlament oder Gregory Stevens 2015 beim Angriff auf den Angriff auf den “Draw Mohammed”-Wettbewerb in Garland, Texas.

Nur im Verhältnis zu anderen Situation, wo man eine Schusswaffe brauchen würde, ist das halt zu vernachlässigen. Zumindest in meiner Welt. Aber ich finde es schon seltsam, Störungsbeseitigung einhändig mit der schussschwachen Hand unter Zeitdruck zu üben, falls ich irgendwas besseres tun könnte, wie über die Vorteile von 9mm gegenüber 45 ACP zu diskutieren (Kurzfassung: Wenn interessiert’s?).

Insofern werden wir da vielleicht nicht einig. Ich habe ja auch nichts gegen das übliche Fantasy-Larp mit Knarren. Mache ich selbst ja auch gerne. Nur wünsche ich mir, dass das nicht übergreift in die Diskussion von realistischer Selbstverteidigung oder realistischen Undercover-Techniken für Leute, die das brauchen. Da hat die Glock 19 Roland Special im AIWB-Holster genau so wenig verloren wie irgendwelche Ninjutsu-Techniken oder der Schlüssel zwischen den Fingern aus Frauen-Selbstbehauptungs-Seminaren.