Präzise Pistolen

Das digitale Äquivalent zu meiner Toiletten-Lektüre ist TFB: Nirgendwo sonst treffen großes Budget, großer Einfluss und die riesigen Möglichkeiten aus dem Land unbeschränkter Möglichkeiten auf so wenig Kompetenz wie bei TFB1. Der folgende Artikel ist ein spannendes Beispiel und eine interessanter Gesprächsanlass: https://www.thefirearmblog.com/blog/2016/10/12/exclusive-testing-worlds-accurate-pistols-part/

Wenn man da mal rein schaut, sieht man sehr teure Präzisionspistolen aus zwei Privatsammlungen. Der deutsche Schütze mit seinem Basiskontingent von 2 Kurzwaffen kommt da in’s Träumen ob der Menge, und der Normalverdiener ob der Kosten solcher Waffen in Deutschland.

Die Zusammenfassungen der Geschichte der einzelnen Waffen sind gut und lesenswert. Den „Vergleichstest“ könnt Ihr in die Tonne treten: Wenn zwei Leute unabhängig von einander ihre eigenen Exemplare schießen, dann ist das als Setup wertlos. Wenn einer dann Ausreißer schon ansagt, irgendwann Konzentrationsprobleme bekommt und wenn die Pistole mit dem Reddot am besten abschneidet, dann sind das zwei vermischte Tests vom Konzentrations- und Schießtalent zweier Typen aus dem Internet. Da kann ich Buchstabensuppe essen und wertvollere Testergebnisse scheißen.

Trotzdem gibt es viele interessante Dinge zu lernen:

0. Die Geschichte der Waffen ist wirklich interessant zu lesen. Ich denke, die der P210 kennt jeder, aber es ist jedes Mal wertvoll zu lesen, dass ein Militär irgendwann mal dachte, eine Präzisionspistole wäre eine total klevere Idee.

1. Aus der Auswahl der Waffen kann man einiges lernen, hauptsächlich aber, dass eine beginnende Sammlung immer mehr von der Verfügbarkeit geprägt ist als vom Gedanken, repräsentativ zu sein für ein Thema. Das sollten sich angehende Waffensammler merken.

2. Wenn zwei Leute ihre Waffen vergleichen, sollten sie zumindest beide jede Waffe schießen, um den menschlichen Faktor etwas zu kompensieren. Das für alle aspirierenden Youtube-Stars . Ja, in der Theorie sollte man ganz andere Dinge tun, und niemand soltle ein einzelnes Exemplar testen, aber praktisch geht weniger und diese Regel ist eine sehr gute Verbesserung im Vergleich zu dem, was in dem Test passiert ist.

3. Munition ist ein wichtiger Faktor, besonders bei Präzisions-Wettkampf-Waffen. Deswegen läd‘ man da wieder und manchmal gießt man sogar seine eigenen Geschosse. Aber das ist Maßschneiderei. Gute gekaufte Munition, wie im Artikel verwendet, ist vermutlich die einzige Lösung, die über alle Systeme funktioniert. Aber auch hier muss man davon ausgehen, dass nicht jede Munition überall optimal ist.

Deswegen sollte man vermutlich vorher zwei, drei Munitionsarten definieren und jede Waffe entweder mit allen Varianten testen oder zumindest mit der Munition, die am besten funktioniert – man will ja die Waffe testen und nicht die Waffe-Mun-Kombination für eine suboptimale Munition (Ausnahme: Das Militär mit festgelegter Mun).

4. Ein Leser kommentiert, seine besten Ergebnisse waren mit einer alten Colt/Bowning 1910 und schreibt das der Tatsache zu, dass die beschissene Mini-Visierung nur bei perfektem Visierbild funktioniert. Das ist eine interessante Lektion für alle, die über Visierbilder nachdenken, die „gut genug“ sind und sie dann in künstlichen Situationen testen. Gibt einen Grund, warum bei IPSC die Waffe so wenig zählt, falls das Setup sie nicht extrem übervorteilt.

5. Ihr kennt alle den Satz „Schützenpräzision und Waffenpräzision addieren sich„. Am Beispiel ausgedrückt: Wenn eine Waffe auf 50m 5cm Streukreise schießt und der Schütze im Idealfall auch, dann streut der Schütze mit der Waffe eben 10cm. Das liest man auch in diesem Artikel und es ist so einfach wie etabliert wie falsch unter praktischen Gesichtspunkten:

Der Schütze ist nämlich keine (schlechte) Maschine um eine Waffe abzufeuern. Manche Waffen machen es einem Schützen nämlich einfacher als andere – wenn der Griff passt, wird die Abzugsbewegung einfacher, wenn die Visierung passt, verschwinden Fehler wie das Verkannten. Ja, das Ergebnis einer in einer Schießmaschine festgespannten Waffe und das Ergebnis eines Schützen mit einer Waffe, die für ihn eingestellt ist, kann man natürlich aufaddieren und kommt in der Theorie auf ein richtiges Ergebnis.

Aber der Test zeigt ja schon, dass in der Praxis beide Dinge so selten auf einander treffen, dass es vernachlässigbar ist: Besonders das grandiose Ergebnis der X-Five (definitiv die am wenigsten auf Präzision ausgelegte Pistole in der Auswahl) mit Rotpunkt im Vergleich mit der von Oschatz getunten P-210 (wenn es eine Präzi-Pistole gibt, dann die), deren Visierung den Schützen zu sehr anstrengte illustriert das.

Fazit: Ihr merkt, mein Lebensmotto „wer nichts kann, kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen“, trifft auch hier zu. Ich hab zumindest ein paar nützliche Dinge mitgenommen.