Pandemische Beobachtungen, Teil 1

Eigentlich ist sie ja ein Traum für Prepper, die Corona-Pandemie. Leider sind keine Zombies in Sicht. Wie es aussieht, werden wir alle geliebte Menschen verlieren, kurzfristig ärmer werden aber am Ende marschiert die Menschheit weiter nach vorne. Toll, neh?

Statt jetzt aber der Sinnhaftigkeit des Seins nachzusinnen, möchte ich die gegebene Situation nutzen, um mal einen Realitätscheck zu bekommen.

Jetzt vorbereitet sein statt morgen

Ich hab noch einen Artikel in Vorbereitung, der danach fragt, aber den meisten ist es jetzt schon aufgegangen: Na, könntet Ihr gerade an den Waffenschrank gehen, eine Waffe nehmen und damit das Leben von Euch oder einem euch Nahestehenden verteidigen? Wie, das AR-15 wartet noch auf den günstigen Aimpoint Acro (und der auf den Jahresabschluss-Bonus vom Arbeitgeber) und das Jagdgewehr ist gerade nicht eingeschossen?

Das ist mir zum Glück nicht passiert (aber ich war ja eh‘ dabei, einen Artikel zu schreiben), aber was sonstige Vorbereitung angeht: Als Single im Sauerland war das kein Problem. 2014 habe ich sogar 3 Monate den Test gemacht, ob ich mit meinen Vorräten auskomme. Lief.

Aber jetzt mit Umzug, Haus und schwangerer Freundin war mein Plan erst mal, die über ein paar Jahre daran zu gewöhnen, dass ich immer mehr Essen bevorrate, als wir bis zum nächsten Einkauf brauchen. Und den Wert von Notfallausstattung beweist man auch besser am konkreten Beispiel und Beispiele stapeln sich jetzt auch nicht im Wochentakt. Tja, 2022 oder 2023, da hätte die Pandemie kommen dürfen bei mir…

Kein Mensch ist eine Insel

Verwandt damit: Da bin ich, gesund, fit, bestens ausgebildet und ausgerüstet. Die Apokalypse wäre ein Abenteuerurlaub.

Aber ich bin nicht mehr allein. Und so geht es eigentlich jedem. Geliebte Familie mit Krebs, COPD, am besten gerade frisch operiert; Enkelkinder, die krank sind und Aufmerksamkeit brauchen…

Für einen selbst vorzusorgen, das ist einfach. Für andere? Hauptsächlich geht um die riesige Menge an Zeug, das man einfach mehr kaufen muss. Und dann muss man sich auch noch in die hineinversetzen und stellt fest, dass die ganz andere Ansprüche und Fertigeiten haben. Ein Beispiel: Ich habe Dekontamination geübt, danke THW. Ich komme mit Mehrwegmasken klar, weil ich eine klare Abfolge habe, was wann womit angefasst wird. Für andere brauche ich ganz anderes Zeug und andere Ausstattung.

So wird das Thema schnell unüberschaubar komplex.

Die Hölle, das sind immer die anderen

Die Gefühle anderer sind auch so ein Ding: Die wenigstens Menschen können gezielt eskalieren und Grenzen schnell genug setzen. Es bringt nun aber wenig, irgendeinen Hansel erst die empfohlenen 1,5m Abstand unterschreiten oder sich gleich direkt in’s Gesicht niesen zu lassen, um nachher zu sagen „Du, das war aber nicht nett“.

Meine eigene Art der Didaktik funktioniert eigentlich auch so: Fehler kontrolliert machen lassen, Fehler erkennen lassen, nachträglich korrigieren. Auch beim Schießen sind viele Fehler nicht so dramatisch – so lange die Waffe in eine sichere Richtung zeigt, besteht kein Zwang, sofort zu explodieren und im Kasernenhofton rumzubrüllen. Ich weiß, manche Trainer machen das, aber ich nicht.

Aber ansteckenden Krankheiten funktioniert das aber nicht. Und es ist schon schwer genug für jemand normal zivilisertes, andere Menschen anzubrüllen und auf Abstand zu halten. Das zu tun, wenn Familie um einen rum steht, die einen so nicht kennt, das ist doppelt schwer.

Peer pressure

Und wo wir schon über andere reden: Als alter Sack in einem jungen Startup habe ich so viel Gelegenheit bekommen, Gruppendruck in Aktion zu sehen. Mein persönlicher Moment kam, als einem jungen Mitarbeiter das Toilettenpapier ausgegangen ist. Und das völlig bewußt. Aber gerade ist ja jeder, der Toilettenpapier kauft, ja ein armseliger Horter. Also war es ihm unmöglich, welches zu kaufen, auch wenn er es brauchte.

Und das ist noch die krasse Variante, die demjenigen auch selbst schnell klar wurde. Schlimmer sind die kleinen „social cues“, die dafür sorgen, dass Maske tragen ja eigentlich okay ist, aber halt heute noch nicht; Abstand halten ja Sinn macht, generell gesprochen, aber doch nicht unter Kollegen; und das sind Muster, die in der unter-30-Gruppe extrem stark sind.

Und dann gibt es noch die einzelnen Wahrnehmungs-Blasen für gegenseitige Bestätigung, die altersunabhängig funktionieren: In manchen Gruppen ist Corona halt nervig und sollte einen nicht zu sehr einschränken. In manchen funktionieren FFP2-Masken nicht und wer die trägt ist dumm. einig ist man sich in allen Gruppen nur darüber, dass die anderen Gruppen dumm sind.

Professionelle Authoritätsträger

Es gibt so Leute, die sehen ihre Aufgabe darin, Ahnung zu haben. Deutschland, das Land von 82 Millionen Fußballexperten, hat natürlich auch eine große Anzahl von Corona-Experten.

Besonders krass waren für mich die Ärzte. Ich schnarche. Also habe ich einen Somnologen. Also einen Arzt mit Spezialisierung auf, ratet mal, drei mal dürft ihr und Virologie isses nicht, Schlafforschung. Und der hat mir klipp und klar erklärt, dass die Corona-Panik Quatsch ist und mehr Leute jedes Jahr an einer Grippe sterben.

Zum Glück war ich schon immunisiert, weil ich eine Woche vorher eine Gynekologin gehört hatte, die im Zuge von Hinweisen zur Ernährung von Schwangeren sagte „grundsätzlich sollte man kaum Salz essen“. Nun kenne ich mich mit Ernährung um einiges besser aus als fast jeder Arzt1 und wurde spontan klar „oh, das hat sie in einer Apothekenrundschau gelesen. Sie erzählt das jetzt zwar im gleichen Tonfall des professionellen Allwissens wie alles andere, aber das ist nur Gewohnheit“.

Professionelle Authoritätsträger sind ganz gefährlich. Schlimmer als Ärzte sind nur die, die ihre Autorität auch umsetzen können – wie gefährlich in einer Pandemie Polizisten sind, die sich ganz sicher sind, Recht zu haben, werden wir bald noch sehen.

Totalitarismus

Woran glaube ich? Liberalismus. Freiheit. Dass jede Einschränkung der persönlichen Freiheit wirklich, wirklich gut begründet sein muss. Ich bin kein Anarchist, aber grundsätzlich denke ich, unsere heute Gesellschaft würde mit einem Ruck Richtung Anarchie besser bedient sein als mit einem weiteren Rutsch in Richtung Sozialismus.

Ich war sogar angetan von Mutti Merkels Ansprache, wo sie sagte „bitte bleibt zuhause“. So will ich das. Rationale Menschen erklären ihre Wünsche, andere rationale Menschen reagieren darauf, äh, rational. Und dann sind die Biergärten und Parks hier in Köln voll von Menschen.

Da ist es total einfach, ja zu totalitären Maßnahmen zu sagen. Zumindest ein Versammlungsverbot -der Albtraum jedes Libertären- klingt dann wirklich sinnvoll. Klar, zeitlich begrenzt. Mit sinnvollen Ausnahmen.

Das tut weh. Klar, das liegt daran, dass wir jegliche Verantwortung für unser Gegenüber abgegeben haben an unseren Staat. Wenn Mutti heute hört, dass ihr Kind raus geht in den Park, um mit 30 anderen Corona (das ach so unheimlich ironisch benannte Bier) zu saufen, dann gibt’s nicht ein paar hinter die Löffel und Hausarrest, sondern die stille Hoffnung, dass sich da schon jemand drum kümmern wird. Aber die Gesellschaft zu retten, indem man vor dreißig Jahren war anders macht, ist ja keine Option.