Overgassed

Zu einer Diskussion über Schalldämpfer und AR-15s habe ich mal etwas mehr geschrieben, das wollte ich Euch nicht vorenthalten:

Ein befreundeter Händler sagte:

Ich hatte das Thema mal vor einem Jahr mit OA besprochen, die sagten man kann alle 223 overgased schießen und braucht nicht zwingend eine einstellbare Gasabnahme. Daher haben die bei deren Suppressed ARs auch keine eingebaut. Seit dem mache ich das auch und konnte noch kein Problem feststellen.

OA hat natürlich völlig recht, dass ein AR-15 overgassed auch funktioniert. Es gibt nur zwei Einstellungen für Gas bei Gasdruck-betriebenen Waffen: Zu viel Gas oder zu wenig Gas. Zu viel ist immer besser, wenn das eigene Leben davon abhängt, dass die Waffe funktioniert.

Die Kalaschnikow ist beispielsweise grundsätzlich ganz krass overgassed. Wie ich schon in der Schweiz erleben durfte: Da hatte ich eine AK-47 von der Stange, bei der der Lauf am Gasblock abgeschnitten war. Also nichts besonderes mit tollem Kompensator, um den Gasdruck hoch zu halten wie bei der AKSU1. Und die ging immer noch und half zusätzlich dabei, mittels extremen Mündungsfeuers Zielscheiben recht schnell abzuhängen.

Die AK ist mehr oder minder ausgelegt für eine derartige Überfunktion, deswegen ist der Verschluss so scheiße schwer, läuft auf einer Federführungsstange, die biegbar ist und die Stange ist hinten beweglich in einer Schwalbenschwanzführung, die gegen ein Stahlgehäuse abschließt. Ob der seelige Mikail sich das gezielt so gedacht hat oder es Zufall ist, keine Ahnung, aber das ist ein gutes System, denn das, was geopfert wird, ist billig austauschbar: Erst tauscht man das Feder-Zeugs, dann haut man mit dem Hammer hinten auf das leicht ausgebeulte Gehäuse, schlimmstenfalls schweißt man mehr Material drauf und haut dann noch mal drauf. Die perfekte Waffe für die Bewaffnung des Arbeiter- und Bauernstaats.

Das AR-15 ist hingegen ein immer wieder toleranter gebautes Präzisionsgewehr2. Die gerade Rückstoßführung beim DI macht viele Schieß-spezifische Sachen ganz toll, aber die Teile, die belastet werden, sind nicht unbedingt die günstigsten und leicht austauschbaren, denn da knallt (nach dem Entriegeln) jedes bißchen zusätzlicher Gasdruck bis ganz nach hinten durch.

Die Piston-ARs machen das sogar noch schlimmer, Stichwort Carrier Tilt. Da sieht man, was passiert, wenn man etwas nachrüstet, was nicht dafür gedacht ist. Die AK hat gehärtete Stahl-Führungsschienen, um die Hebelwirkung abzufangen, die aus der nicht zentrisch über den Piston zugeführten Kraft entsteht; das Piston-AR hat die naturgemäß nicht, denn das DI-AR braucht die nicht – was im Alu-Upper noch okay ist, in der recht dünnen Buffertube hingegen nur mittelprächtig funktioniert.

Man kann die Wirkung von zu viel Gas in der Waffe abschwächen (kugelgelagerte Cam-Pins, gepufferte Federn, schwerere Buffer), man kann das aushalten (korrekte Materialen mit guter Wärmebehandlung3) und man kann dem vorbeugen (Kontrolle des Gasflusses).

Ob man das muss, hängt von der Anwendung ab. OA kennt ihre Kunden ziemlich gut4.

Der typische Kunde wird auch mit einer Knarre mit viel Gasdruck niemals in seiner Lebenszeit ein Problem haben. Für das eine Mal im Jahr, wo er verschwörerisch sein AR-15 auf dem DSB-Stand rausholt, sich bewundern lässt, um des dann schnell wieder verschwinden zu lassen, bevor der Platzwart „Kriegswaffe. Verbieten!“ murmelt, ist das egal. Da hilft zu viel Gas eher, um trotz des verharzten Ballistols vom letzten Reinigen vor 20 Schuss oder 3 Einsätzen oder eben 3 Jahren noch zu funktionieren.

Das wird auch nicht anders, wenn der Jäger das neuerdings auf seinem „immer nur eine Patrone laden“-Stand zweimal im Jahr macht, weil er noch seinen „natürlich gehören die verboten, ich wollt‘ ja nur mal gucken“-Schalli auspackt.

Meine Freunde, ich und vermutlich auch die meisten meiner Leser schießen die Dinger teilweise mehr als das US-Militär ohne eine High-Level-Wartung (die mit Lauf-Tausch) durchgehen lässt. Mein erstes OA-15 hat über 15k Schuss durch, da empfiehlt der Laufhersteller iirc einen Wechsel und ich sollte theoretisch durch 6 Sätze Dichtungsringe (alle 2.5k Schuss) durch sein – tatsächlich isses aber immer noch der erste Lauf,, trotzdem ich sehe keinerlei Erosion (aha, Pflege hilft!) und der zweite Satz Gasringe. Bei meinen Glocks isses übrigens nicht anders, die offiziellen Wartungsintervalle sind irgendwo bei 7.5k, wenn ich mich erinnere, das knacken viele in einem Jahr, aber Glock traut es ja Zivilisten nicht zu, Teile selbst zu tauschen5.

Meine Remington R-25 funktioniert zufällig auch so, also mit und ohne Schalli, ohne verstellbaren Gasblock. Da ballere ich aber auch nicht auf mehreren Kursen im Jahr jeweils 500 Schuss in zwei Tagen durch. Da freue ich mich einfach, dass das so slick&sleek funktioniert und nehme in Kauf, dass der Carrier-Pin, die Buffertube und das Gewinde, was die Tube im Lower hält, etwas mehr belastet werden. Das ist ein DMR, da ist Schalli wechseln ohne Umstellen wichtiger (weil: riesiges Trumm) als 15k Schuss in 5 Jahren zu überstehen.

Für mein AR-15 hingegen will ich weniger Verschleiß. Zumal ich sicher bin, dass irgendwann die Teile nicht mehr ausgetauscht werden können, weil die schleichende Entwaffnung nach Art des Einhandmesserverbots6 das verbieten wird. Und deswegen gebe ich wenig auf die Aussagen von irgendwelchen Waffenherstellern.