Mein 9mm AR-15

Endlich mal wieder was anderes als meine Sonntagspredigten: Ein Blick auf meine neueste und schon jetzt am meisten benutzte Waffe. Waffen zeigen kann jeder, deswegen gibt’s viel Text, um meine Überlegungen zu erklären. Wie gewohnt: Das, was folgt, funktioniert für mich.

Mein AR-15 in 9mm

Meins ist ein HAR-15, denn gebaut hat mir das Mathias Horner von Horner Arms. Wie auch bei meinem Lieblings-AR15, das ebenfalls der Horner zusammengebaut hat, ist das eine wirklich solide Waffe, absolut zuverlässig – man muss Meister Horner hin und wieder mal anschubsen und mit etwas Grummeligkeit leben, aber die gelieferte Leistung ist die beste, die ich bisher in Deutschland erlebt habe.

Aufbau

Der Upper ist von Aero, wie alle modernen Selbstbauten in Deutschland1, so scheint mir. Der Lower kommt von QuarterCircle 10 und ist für Glock-Magazine ausgelegt. Der Lauf ist ein 10 Zöller, ebenfalls von QC 10, der mit einem 1/2″ x 28TPI Gewinde daher kommt. Den Upper hat der Horner mit einem Dustcover ausgestattet, auf dem klevererweise das Kaliber steht2 – eine Angewohnheit, die ich auch bei meinen anderen Waffen übernehmen werde. Gerade bei 300 BLK und .223 Rem scheint’s mir eine gute Idee, Verwechslungen vorzubeugen.

Das Railsystem ist ein Samson Mfg Evolution 9″. Nicht das modernste am Markt, und ja, irgendwann wechsele ich auf MLOK3, aber ich hab das gleiche System an meinem Lieblings-AR-15 und etwas Erfahrung darin, dort Zeug anzubringen. Das Evo ist die leichteste Lösung aus Aluminium, die ich kenne, aber Anbauten sind nicht sonderlich schnell zu wechseln. Also völlig okay, wenn man schon weiß, was man mag. Manko: Man hätte da ja ruhig mal ein Loch pro Seite für einen QD-Adapter anbringen können… so musste ich einen anschrauben, der auch als Indexpunkt für meinen Handballen dient. It’s not a bug, it’s a feature.

A propos anbringen: Unten drunter befindet sich die China-Kopie eines Magpul AFG2. Ich musste eh‘ rumbohren und schleifen, um das anzubringen, da wollte ich nicht das Original verbasteln. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob es die richtige Lösung ist, aber jetzt isses schon Jahre dran und funktioniert4. Der AFG dient zum einen als Handstopp, weil der Lauf ja recht kurz ist und ich nicht vor die Mündung greifen möchte. Zudem ist es nett an Barrikaden als zusätzliche Anlagefläche. Und als Griffhilfe taugt es auch- weil man ja den Vorderschaft ja recht kurz greift, bietet es sich an, das in einem etwas stumpferen Winkel machen zu können und entlastet das Handgelenk.

Die gleiche Argumentation haben H&K und dann später Magpul ja auch für den Pistolengriff verwendet und siehe da, bei mir ist auch ein K2-Modell verbaut, wieder für den angenehmeren Winkel im Handgelenk.

Der Hinterschaft ist ein Battlelink Minimus. War damals total geheim und hipp, kennt jetzt jeder als solides Modell mit geringem Gewicht und wackelfreiem Verschluss. Auch nützlich: Mit dem Haken hinten (mit dem man auch mal hängen bleiben kann, ja…) kann man die Waffe in einen Ständer einhängen – klingt absurd, ist aber tatsächlich nützlich, weil der Lauf für den oberen Anschlag der meisten Waffenständer zu kurz ist und man die Waffe dann nicht einstellen kann, aber so immerhin einhängen.

Oben drauf sitzt kein Aimpoint Micro mehr, sonder ein PRO. Manch einer sieht eine leichte Waffe und will dann möglichst leichte Teile dran bauen. Bei mir ist es anders: Gewicht stört mich nicht so sehr, geringes Eigengewicht sehe ich als mehr Spielraum für schwereres Zubehör. Das Aimpoint PRO (Patrol-ready optic) ist schwerer, hat aber ein größeres Okular, was tatsächlich ganz nett ist. Viel wichtiger ist aber: Es kostet fast die Hälfte, wenn man es sich schön rechnet und den deutschen Preis des Micro mit dem Import-Preis des PRO vergleicht. Was anderes als Aimpoint kaufe ich ja bekanntlich nicht, ich hab nicht die Zeit und Nerven, zu experimentieren und zu ärgern – auch wenn der gute Moe ja  seit längerem demonstriert, dass man sogar mit Falke Glück haben kann.

Die Sights sind Magpul BUS. Ja, nicht die teuren Stahldinger sondern die Plastik-Teile. Die funktionieren seit Jahren schon exzellent für mich – fast alle Kurse bei 0-500 hab ich nur mit den Dingern geschossen und, oh Wunder, die funktionieren bestens. Und ja, auch wenn ich ein quasi unkaputtbares Aimpoint auf der Waffe habe, hab ich immer noch die Iron Sights, weil sich damit der Haltepunkt überprüfen lässt: So habe ich keine Angst, irgendwas könnte sich verstellt haben.

Vorne am Rail, vor dem Korn, ist etwas Platz: Da käme ein WML hin, was ich in den Ländern, wo ich das darf, gerne mache – und ja, das lohnt imho so sehr, dass ich in Deutschland gerne mit leerem Blick und noch leererem Rail rumlaufe. Die Visielinie wird damit kürzer, aber zum einen ist es wirklich nur Backup und Kontrolle für den Rotpunkt, zum anderen sind Visierlinien auf Pistolen nur halb so lang und funktionieren für mich auch auf 100m, wenn es sein muss.

Was noch fehlt: Ein Raptor Durchladehebel (früher AXTS, jetzt Radian, vertrieben durch Rainier Arms, wer kann das noch überblicken?). Den habe ich überall sonst, ist eine gute Ergänzung, aber gelegentlich bin ich zu geizig, dann kommt wieder eine neue Version auf den Markt, dann ziehe ich um und kann nicht mal eben testweise was umbauen… Ausreden, Ausreden, Ausreden, Ihr wisst schon.

Technik und Handling

Nach über 5000 Schuss damit kann ich sagen: Funktioniert. Zuverlässig.

Es ist imho etwas traurig aus Ingenieursicht, dass die Waffe einen Masseverschluss hat. Klar, der ist simpel, aber 9mm könnte man auch anders bauen, wie die gute MP5 beweist (die wegen des Verschlusses ein Hülsen-vernichtendes Monstrum ist). Und die PM7 aus gleichem Haus zeigt, dass auch Gasdrucklader bei 9mm problemlos machbar sind. Masseverschlüsse sind die steinzeitliche und simple Lösung, nicht die eleganteste. Die bewegte Masse ist aber kein Problem: Die Waffe bewegt sich zwar aus dem Ziel bei schnellen Schüssen, aber nicht auffällig: die letzte Stufe des Half-and-Half-Drills mit 10 Schuss schießt man zuverlässig in unter 2,5 Sekunden. Und außerdem funktioniert das System sehr zuverlässig. Der Ingenieur in mir leidet, der Praktiker frohlockt.

Was ich lernen musste: Glock-Magazine sind dank der quadratischeren Form5 tatsächlich nicht so einfach einzuführen wie STANAG-Magazine, und der Einführwinkel ist ein anderer. Das wandelt die Technik etwas: Man kann zwar AR-Magazine so einführen, aber wer AR undAK benutzt, gewöhnt sich eher an, die vorne am Magazinschacht anzuschlagen und dann in einer leichten Drehbewegung zum Schützen hin einzuführen. Mit den Glock Happysticks  ist das nicht so. Fühlt sich in etwa so an, als würde man ein 45-Schuss- oder ein großes 100er Casket-Magazin einführen. Praktisch ist der Mehraufwand zu vernachlässigen. Gut, wer nur auf Magazinwechsel drillt, der merkt das eventuell, aber im realistischen Wettkampf-Gebrauch stört es nicht.

Ich glaube tatsächlich, mein ästhetisches Empfinden ist eher, was mich an den Glockmagazinen stört. Eine gute AR-15 in 9mm braucht gerade Magazine, wie das Colt 6951. Ich bin ja schließlich aufgewachsen mit diesem Video von Marina Semanova, dessen Pixeligkeit heute vermutlich „vintage“ ist, genau wie das Quadrail, der Vertikalgriff und das C-More. Nur die Musik von ZZ Top ist heute noch so modern wie vor 10 Jahren.

Ah, zurück meinen Eindrücken: Der Haltepunkt ist interessant. Ich hab meinen für 25m gewählt. Also ganz anders als bei einer 9mm-Pistole, die ja meist irgendwo zwischen 3m und 7m liegt. Warum? Weil ein Null-Durchgang bei 25m auch etwa einer bei 50m ist. Profis wissen das, meiner einer hingegen hat ziemlich lange verwirrt ballistische Kurven berechnet und gedacht, der Rechner wäre kaputt, als für beide Distanzen das gleiche raus kam. Egal, das Ergebnis ist schön. Das ergibt einen schönen Einsatzbereich bis 65m, wo man nicht mehr als 5cm Abweichung oben oder unten hat.

0m 25m 50m 75m 100m
-3,75cm 0 0 -10cm -25cm

Das ist grob berechnet mit dem Rechner von gundata.org für eine 124gr S&B FMJ und ein Zero von 27 yards. Anders gesagt aus praktischer Perspektive: Offset beim Dotdrill bedenken. Sonst immer mitten rein, bis das Ziel kleiner ist als das Korn, dann an der Oberkante anhalten. Wenn man Vergrößerung braucht, um das Ziel zu identifizieren, nicht mehr schießen.

Das 9mm AR-15 als Trainingsgerät:

Grundsätzlich toll, wenn man ein AR-15 schießt. Anders gesagt: Bis endlich eine 9mm Kaschi am deutschen Markt lieferbar ist, isses sogar ein Grund, ein AR-15 als Langwaffe zu bevorzugen 😉

Gleiche Kapazität wie bei der Hauptwaffe: Gut. Gleichwertige oder sogar zuverlässigere Magazine.

Besser sichtbare Löcher auf der Scheibe.

Rückstoß ist bemerkbar, so dass man nicht blind wie bei 22lfB-Konversionen Doubletappen sollte, es erzieht also zu einem festen Waffengriff. Dank der effektiven Reichweite von 100m ist die Flugbahn etwas, wozu man sich Gedanken machen sollte, das verlernt man also auch nicht.

Ganz perfekt ist das alles aber nicht: Ich wollte unbedingt einen optimierten Lower. Zu Trainingszwecken wäre ein normaler AR-15-Lower inKombination mit STANAG-artigen Magazinen natürlich besser, weil as Magazinhandling schon anders ist mit den dünnen Glock-Magazinen, selbst, wenn man die 32 Schuss fassenden Happy-Sticks benutzt. Solche Magazine gibt es meines Wissens nach nicht als fertige Lösung, aber es kann nicht schwer sein, ein Glockmagazin in eine STANAG-Hülle zu packen.

Lohnen tut das System übrigens nicht wirklich: Zwar ist 9mm günstiger als .223rem, aber selbst ernsthafte Schützen müssen viel schießen, um die Kosten der Waffe wieder raus zu holen. Wenn wir mal von aktuell 20ct für 9mm und 40ct für .223 ausgehen, dann komme ich bei etwa 2500 EUR auf 12500 Schuss, bevor sich das bemerkbar macht.

Das 9mm AR-15 für die Selbstverteidigung:

Hier sind wir beim total hippen Thema PCC, pistol caliber carbine. Da haben viele Leute schon viele Worte verloren, aber eigentlich isses ja ganz einfach: Man erhält eine Waffe, die tatsächlich bis 100m einsetzbar ist. Meine Faustformel ist: Pistole bis 25m, Pistole mit Reddot bis 50m, Pistole mit Rotpunkt und Schaft bis 100m. Die Kadenz ist super, wie schon geschrieben wandert ein PCC bei Folgeschüssen minimal – so, dass man aufpassen muss, aber nicht so, dass mans ich sorgen muss. Penetration ist für den Arsch, es ist eben eine Pistolenpatrone, SK1 hilft also schon dagegen. Aber es ist eine äußerst präzise Waffe, insofern sind Treffer auf ungepanzerte Regionen gemütlich machbar.

Mit Schalldämpfer sind wir in einer ganz wunderbaren Region: 9mm ist super zu dämpfen, 9mm bietet echt viele Hohlspitzgeschosse und die auch in typischen Subsonic-Gewichten ab 145gr. Und die funktionieren auch wirklich bei Unterschallgeschwindigkeit. Das ist kein Fall, wo man ein  den Zahlen nach passendes Geschoss findet und es dann leider so hart ist, dass es Überschallgeschwindigkeit braucht, um aufzupilzen – ein Fall bei 300 BLK mit .30er Geschossen, die für 300 WinMag gedacht sind.

Nachteilig ist imho höchstens das Gewicht: Die Waffe selbst ist leichter, aber die Munition schwerer: Bei 9mm Subsonic wiegt das Geschoss fast das dreifache einer typischen .223 Rem6. Und weil man 2 Glockmagazine auf der gleichen Fläche unterbringt wie ein AR-15-Magazin, neigt man dazu, viel mehr Gewicht zu schleppen.

Fazit

Bereue ich meinen Kauf? Kein bisschen. Viel mehr ärgert es mich, dass ich mal ganz sparsam eine Beretta CX4 Storm gekauft habe: Eine lustige Waffe, grottiger Abzug, grundsätzlich aber besser als PCC designed; aber die Modularität des AR-15-Systems und die Übertragbarkeit sind mir den Preisunterschied wert. Und das Strahlen, dass die kleine Giftspritze auf die Gesichter aller AR-15-Kenner zeichnet, ist allein schon Gold wert.