Die Hockstellung

Die Amerikaner haben es so gut: Die können „Squat“ schreiben und meinen damit sowohl die Hocke als Stellung als auch die Kniebeuge als Übung. Und das Wort ist kürzer. Das ist super, denn wenn man ein Wundermittel verkaufen will, dann sollte das kurz und prägnant heißen1.

Und ja, ich biete hier ein Wundermittel, glaube ich zumindest. Wir haben nicht so viele in unserer Szene. Wenn ich meine Erfahrungen mal durchgehe: Isosceles war keins, 40 S&W war keins, die Hudson H9 war keins, PenCott und alle anderen Tarnmuster waren keins, Stahlvisierungen in tausend Variationen waren keins… Rotpunkte, Schalldämpfer und Nachtsicht, okay, Wundermittel, aber sonst sieht es dünn aus.

Und trotzdem geben wir Zeit und Geld, meistens Geld, aus für vermeintliche Wundermittel, die uns noch ein wenig schneller, ein wenig präziser machen sollen.

Und das soll nicht die übliche Platitüde sein, dass Ihr alle das Geld besser in mehr Munition und mehr Training steckt – das weiß jeder. Nein, ich möchte Werbung machen für eine Bewegung und eine Position. Aber lasst mich ausholen:

Der Wert von Schießpositionen ergibt sich aus einem Abwägen von erreichbarer Präzision gegen die Schnelligkeit, in der man sie einnehmen kann.

Man könnte noch „Größe der Zielfläche, die man bietet“ als Faktor hinzufügen2, aber die korreliert mit erreichbarer Präzision: Je mehr von sich selbst man nah an den Boden bringt, desto schwerer wird man zu treffen3, und desto präziser wird man, weil man mehr Abstützmöglichkeiten bekommt und die Hebellänge zum Boden verkürzt.

Und „Schnelligkeit, mit der man die Position verlassen kann“ ist ebenfalls wichtig, korreliert aber ebenfalls ziemlich gut mit der, in der man die Position einnehmen kann4.

Wer also verstanden hat, dass Positionen ein Abwägen sind, sucht natürlich nach einer möglichst effizienten Position – einer, die viel Stabilität gibt, aber schnell einzunehmen ist.

Und da kommt meine Meinung nach die Hocke in’s Spiel. Hocken ist genau so stabil wie Knien, aber sehr viel schneller einzunehmen und wieder zu verlassen. Das gilt aber nur, wenn man auch die Fußsohlen komplett auf den Boden bekommt, ansonsten isses arg wackelig.

Nur mag kaum jemand hocken. Himmel, manche Autoren schreiben sogar „manchen Menschen ist es physisch nicht möglich, diese Position einzunehmen“5.

Das stimmt. Manchen Menschen ist es jetzt nicht möglich, das zu tun. Aber das heißt ja nicht, dass man das nicht trainieren kann!

Und das ist mein Punkt heute: Statt nach dem Wundermittel bei der Ausrüstung zu suchen oder noch irgendeine obskure Technik zu lernen, die ein einem kleinen Subset von Situationen helfen könnte (ich hab „Center Axis Relock“ im letzten Jahr häufiger gehört als im Jahrzehnt davor! Damn you, John Wick!), lohnt es sich, mal an der eigenen Flexibilität zu arbeiten. Wer hocken kann, ist klar im Vorteil beim Einnehmen von Schießstellungen. Ein echter Geheimtipp – auch für Gamer, die Übungen wie das Drei-Positions-Schießen hacken wollen, 6

Hocken zu können ist übrigens auch so eine tolle Sache: in der „funktionalen“ Sport-Szene wird oft genug darauf hingewiesen, dass in Ländern, in denen kulturell viel gehockt wird, Knie- und Hüftoperationen seltener sind7, aber das ist die „funktionale“ Szene. Wichtiger: Die Fähigkeit, zu hocken, ist Teil des SRT, der eine solide Abschätzung der Lebenserwartung gibt. Hocken gehört zum sicheren Fallen und Stürze töten ab 60 schneller als Krebs. Wer hocken kann, weiß das Squatty Potty zu schätzen und das muss man allein für die Werbung kaufen – auch wenn die Diskussion über bessere Darm-Gesundheit eher unentschieden ist. Und für die Ringer unter uns: Schnell abhocken und wieder aufstehen ist die beste Lösung, um unter der Deckung eines Gegners vorbei zu kommen. Aus der Kniebeuge heraus wirft es sich übrigens auch wirklich nett.

Also: Üben! Die übliche Progression ist das Sitzen an der Wand, der Entengang (oder Gorilla-Gang, wie ich gerade lerne), und der Scheibenwischer. Hier ein Video, das alle drei Übungen zeigt. Und hier was, was zwar als Dauerwerbesendung betitelt ist, ich aber ziemlich interessant finde, für alle, die eine solide Hocke haben.

Update: Der hochgeschätzte PS erinnerte mich daran, was die Hocke dem Knien gegenüber noch voraus hat: Man stützt zwei Ellbogen auf statt nur einem. Das macht die Position noch besser. Dazu gibt es von ihm auch ein Zitat von Andy Stanford: „Seht bei der Einnahme von Schießpositionen zu, dass ihr so viele Ellenbogen wie möglich abstützen könnt.“