Neue Tarnmuster

Jüngst schrieb ein Bekannter „Kann es sein, dass ConCamo echt was taugt?“und bezog sich auf einen Artikel bei spartanat.com – und weil ich gerade meine Tage hab, schrub ich den Anfang von folgendem Artikel:

Ich bin skeptisch. Lasst mich mal aus meiner eigenen Erfahrung berichten: Ich war ja so ein Multicam-Hipster und hab ein Bilderblog betrieben, wo alles drin war, was es zu Anfang zu finden gab (also etwas SF und etwas Blackwater sowie die Bilder vom ersten „Scorpion“- und „brush over desert“-Trial). Jeder macht mal sowas1.

Ein kleiner Exkurs zu meiner Ehrenrettung: Crye Multicam war offensichtlich wegweisend und bahnbrechend. Aber eben nicht nur ob des Musters, sondern weil Caleb Crye ein genialer Designer ist und er nicht nur das Muster, sondern Muster und Uniform zusammen verkauft hat. Und die Änderungen an der Uniform waren auch richtig klever (naja, bis auf den Waste Disposal Zipper…). Zusammen war das eine (Kampf-)Wertsteigerung, die man schwer ignorieren konnte. Vorher waren ja sogar einfache Änderungen wie die RAID-BDU (Mandarin-Kragen und Taschen auf den Ärmeln) nur über Änderungsschneider zu bekommen, bei Crye gab’s das fertig. Viele Leute, so scheint mir, haben die Gesamtverbesserungen mit denen des Musters gleichgesetzt.

Fehler-Muster

Und als dann die Werbeoffensive von Crye anfing war ich überrascht, wie perfekt man Bilder knipsen kann, wo die Camo super wirkt. Denen ist das zu verzeihen, die wollen ja einfach Geld kassieren.

Aber die Fans haben den Fotografier-Stil dann so übernommen. Hier spielte sicherlich auch Post-purchase rationalisation (eingedeutscht als „Nachträgliche Begründungstendenz“) eine Rolle – das Crye-Zeug war scheiße teuer, die Lieferzeiten waren absurd und da die nur mit FedEx versendeten, war der Versand auch richtig happig. Ein Freund von mir hat am Ende irgendwo zwischen 350 und 400 EUR für Combat Pants 1.0 bezahlt (nicht für Inflation der letzten 10 Jahre bereinigt). Wer sowas gekauft hat, hat eine große psychische Barriere vor sich, das runter zu machen und objektiv zu bewerten (mein Kumpel übrigens nicht, der hat den funktionalen Wert erkannt und eine in khaki gekauft, nicht Multicam).

Zudem hatten die „Tester“ wenig Vorstellung von davon, was die Tarnung an Aufgaben erfüllen sollte und haben irgendwelche obskuren Protokolle übernommen. Am schlimmsten waren die, die nicht kapiert haben, dass Hyperstealth (oh, was gab es damals wenige Camo-Seiten im Internet!) eine Werbeseite ist und keine wissenschaftliche Publikation (was okay ist, das haben einige im Orient auch nicht) und dachten, dass es reicht, ein Muster in ein Bild zu copy&pasten.

Zusätzlich gab es dann die Airsofter, die teilweise wirklich praktisch getestet haben, aber nicht verstanden, dass deren Anforderungen auf Grund der kurzen Reichweite ihrer Waffen nicht mit denen von echten Anwendern überein stimmen.

Camo-Basics

Nur als Erinnerung:

  • Die Fähigkeit zum visuellen Erkennen sinkt im Quadrat der Entfernung.
  • Zudem wirken unterschiedliche Faktoren auf unterschiedlichen Distanzen, weil beispielsweise die Fähigkeit zur Farb-Differenzierung eben auch mit der Entfernung abnimmt.
  • Was also dank kleverer Farbvariation auf kurze Distanz gut funktioniert (Multicam war auch deswegen teuer, weil das mit einer Farbe mehr gedruckt wird als beispielsweise Woodland und außerdem noch Farbverläufe benutzt), wird auf größere Entfernungen gerne zum einheitlichen Blob, der auch nicht besser wirkt als rein oliv.
  • Sonnenschein- und Schatten wirken auf unterschiedlichen Farbpigmenten anders, was besonders bei billigen Multicam-Kopien auffiel, die im Sonnenlicht einheitlich beige-weiß wirkten, weil die Pigmente alle stark reflektierten.
  • Nässe macht ebenfalls Probleme, weil sie Farbkontraste meist reduziert und Reflektionsverhalten über alle Oberflächen vereinheitlicht.
  • Zum Abschluss bleibt da die Tatsache, dass das Auge menschliche Formen nach Jahrtausenden der Evolution super erkennen kann, man aber als Vergleich gerne auch mal einfach Stoffe in die Gegend gelegt hat – Stoffe, die nebenbei, faltenfrei in der Natur rumlagen und damit nicht mit Schattenwurf auf sich selbst klar kommen mussten.

Kein „Test“, den ich gesehen habe, hat sowas einheitlich überprüft. Die einzelnen Probleme scheinen allerdings vielen Herstellern bekannt gewesen zu sein, denn wenn man die Konkurrenzprodukte runtermachen wollte, dann erinnerte man sich schnell an sowas. Ich bin mir übrigens sicher, dass die amerikanischen Spezialeinheiten, die Multicam als erstes verwendet haben, das auch alles wußten, es ihnen aber egal war, weil die wichtigste Aufgabe von Tarnmustern ein anderes ist. Dazu später mehr.

Der Hype-Cycle und die wirklich wichtigen Funktionen von Uniformen

Egal, jedenfalls wiederholt sich das Hype-Muster alle paar Jahre, behaupte ich: Nach Multicam kamen ATACS, Kryptek, Pencott und jetzt eben ConCamo. Unterschiedliche Schweine, gleicher Trog.

Ich persönlich bin desillusioniert, was bahnbrechende Camo angeht. Die Hauptaufgabe von einem Tarnmuster ist schon lange nicht mehr, Leute zu tarnen. Gerade im Zuge der elektronisch-unterstützen Aufklärung.

Hauptaufgabe der Uniform bleibt wie seit Jahrhunderten, die eigenen Truppen vom Gegner unterscheiden zu können (weswegen es doppelt lustig ist, wenn die Amerikaner ihre eigenen Uniformen an vermeintliche Verbündete abgeben). Dafür braucht es irgendein Muster. Das kann Hyperstealth genau so machen wie Realtree.

Als nächstes kommt das Verhalten bei Nachtsicht. Nachtsicht verdanken wir Pixel-Tarnung, was bei alten Nachtsichtgeräten funktioniert hat (Raster und so), aber heute hinfällig ist. Naja, es sei denn, man geht von Gegnern mit antiquierter Technik aus – aber die Russen sind heute auf dem neuesten Stand der Technik (weil auch sie Kapitalismus lieben gelernt haben) und den nahen Osten statten die Amerikaner ja gerne selbst aus, indem sie Verbündeten Hochtechnologie in die Hand drücken und sich wundern, wenn die entweder von alleine weg kommt oder die Verbündeten einfach überrannt werden. Jaja, aber Hauptsache solange sie ITAR gegen den Westen durchsetzen, sind wir alle sicher.

Dicht darauf folgt das Thema IR-Beleuchtung, weswegen wir sowohl was über Farbpigmente, Material für Plastikschnallen und Waschmittel gelernt haben.

Und erst danach kommt optische Tarnwirkung – auf irgendeine Distanz. Und tarnen tun die oben genannten alle okay genug2 Der wirkliche Trick ist nicht im Tarnmuster, sondern es auch überall (Hände und Gesicht!) anzuwenden und die Situation passend zu wählen3.

Und wer’s wirklich ernst nimmt, baut sich weiterhin einen Ghillie – passend zur Situation.

Trotzdem: Ich mag ATACs. Weil’s für mich cool aussieht. Aus keinem anderen Grund.