Wesenstest für Kampfmesser

Vor einiger Zeit fragte mich ein Freund nach einer Empfehlung für ein Messer. Und zwar zur Selbstverteidigung. Das passiert selten. Und schon damals hab ich einen Artikel dazu begonnen, nur abgeschlossen bekomme ich ihn nicht.

Eigentlich ist das alles total einfach: WaffG und Anlage WaffV lesen, Kriterien verstehen, und sich dann für ein feststehendes Messer mit unter 12cm Klingenlänge entscheiden, weil das nicht dem Führverbot unterliegt und damit überall geführt werden darf. Theoretisch. Praktisch aber nicht.

Nebenbei: Anders geht’s nicht, seit wir uns die Einhandmesser verbieten haben lassen (§42a WaffG). So sehr ich Peters Artikel über das Spyderco PITS schätze und obwohl ich selbst seit geraumer Zeit eines trage:  Für die SV taugt’s nicht ohne Verschluss und ohne Emerson Wave.

Also bleibt das feststehende Messer. Und da haben wir dann ein Dilemma, denn was verboten ist, ist einfach festzustellen. Was erlaubt ist hingegen nicht.

Das nennt man Grauzone und das ist zu erst einmal ein Problem für jeden gesetzestreuen Bürger. Wenn man weiter denkt, ist es natürlich auch ein Problem für jeden Staat, dessen Machtanspruch sich hoffentlich auf einen Konsens seiner Bürger gründet. Konsens klappt idealiter1 nur, wenn alle gleich behandelt werden und die Regeln dafür auch verstehen können. Das ist hier nicht der Fall2.

Zurück zum Messer: Ein feststehendes Messer mit weniger als 12cm Klingenlänge kann nämlich trotzdem verboten sein, wenn es als Waffe eingestuft wird.

Na gut, denkt man sich dann, schaut man mal in die Kriterien rein, die etwas zur Waffe machen? Und dann verlässt man den festen Boden, den man gewohnt ist naiv erwarten würde und hört was von Hieb- und Stoßwaffen im Sinne der Nummer 1.1 zur Anlage 1 des § 1 WaffG Abs. 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 handelt. Und was steht da?

Hieb- und Stoßwaffen (Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen),

„Ihrem Wesen nach“ also. Wesenstest also nicht nur für Kampfhunde3, sondern für Kampfmesser. Jedes Messer kann unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft Verletzungen beibringen. Wie wird denn nun das Wesen bestimmt?

Natürlich nicht rational oder wissenschaftlich.

Anders gesagt: Diese Kriterien sind so flexibel, dass man das dem BKA überlässt. Und das entscheidet natürlich erst bei Bedarf. Also schlimmstenfalls post facto. Die lassen sich dann in vielen Worten im Einzelfall dazu aus, aber wer mal die einzelnen Details liest, stellt fest, dass es im Zweifelsfall immer in einem Verbot endet. Den Bescheid zum Ka-BAR TDI finde ich persönlich besonders spannend, weil die Begründung anhand des Klingenwinkels aus meiner Messermachersicht absurd ist. Besonders interessant sollte aber für uns die Beurteilung des SNAG sein: Hier reicht die Vermarktung als Selbstverteidigungsgerät für den Zuspruch der Waffeneigenschaft.

Damit ist natürlich der mißbräuchlichen Interpretation Tür und Tor geöffnet: Muss der Hersteller das Messer als Waffe bewerben? Reicht es, wenn irgendein bekannter Kampfkünstler das tut?

Das nennt man international einen „chilling effect„: Es gibt zahlreiche Messer, die exzellent für bestimmte Techniken der SV funktionieren. Aber niemand in Deutschland bewirbt die für diese Zweck aus der Angst, die Werbung könnte dazu führen, das Waffenwesen festzulegen.

Kurzum: Ich kann niemandem eine gute Empfehlung geben. Es gibt leider kein taugliches Messer, das schon einen negativen BKA-Bescheid hat, und ich würde zumindest niemandem, bei dem die Zuverlässigkeit als Waffenbesitzer auf dem Spiel steht, zu irgendeiner Alternative raten, die der gesunde Menschenverstand hergibt, denn der zählt eben nicht.