Vom einhändigen Schießen

Jüngst wurde ich auf einen Artikel bei spartan.at über Hard Task in Tschechien aufmerksam gemacht. Und da kam eine Aussage, den ich sehr liebe:

Bei verschiedenen Gelegenheiten werden Kursteilnehmer verbessert und eine reale Erfahrung wird eingeflochten.  Eines meiner prägenden Beispiele war z.B. „Einhändiges Schießen“. Hier habe ich, wie allgemeine Lehrmeinung die freie Hand zur Faust geballt an die Brust gezogen. Prompt wurde ich als schlechtes Beispiel zitiert und es wurde erklärt: „Wir schießen nach Möglichkeit immer beidhändig. Wenn nur eine Hand die Waffe nutzt, ist die Zweite kaputt oder beschäftigt.“ Ergo: die nicht benutzte Hand hängt, ohne die Schulter fest anzuspannen, locker runter. Eigentlich logisch, aber wird meistens anders ausgebildet.

Das ist einer dieser Sätze, mit denen man als Instruktor total gut beeindrucken kann, weil es so nach Realitätsnähe klingt.

Nun, ich denke, ich besitze genau die gleiche Anzahl an Schusswunden in den Armen wie all diese Instruktoren, nämlich exakt 0. Ich denke außerdem, ich habe weit mehr Schnitt- und Stichwunden an Händen und Armen als die meisten Instruktoren, die diese These vertreten, zusammen.

Hier die überraschende Neuigkeit: Ein Arm hängt nicht einfach so runter, wenn der kaputt ist. Der Standard-Reflex ist es, den Arm krampf-artig anzuziehen. Niemand läßt ein Körperteil, das weh tut, einfach so hängen. Fragt mal die Sanitäter, die sich wünschen würden, dass das so wäre. Würde die Behandlung vereinfachen.

Das heißt nicht, dass diese Haltung mit Hand vor der Brust realistischer ist: Jeder Jeck ist anders und jede Verwundung gleich doppelt1.

Wenn also beides nicht 100% realistisch ist, was ist die bessere Lösung, oder anders, denn ich habe da lange mit mir gerungen: Warum bilden Leute wie ich das dann mit der Hand vor der Brust aus?

  1. Es ist unter Stress echt schwer, irgendein Körperteil locker zu lassen. Brauchen wir nicht zu diskutieren, gibt es Studien zu seit in den 60ern die Russen einarmiges Training erforscht haben. Bringt nur mehr mentalen Overload und den wollen wir hier nicht. Wer Schüler mental überfordern will, gibt denen vorher eine Gummi-, Airsoft- oder FX-Waffe in die Hand und nimmt die echte weg. Denn:
  2. Wenn man sich aussuchen kann, wo die unbenutzte Hand liegt, dann besser nicht da, wo man beim Ziehen mit der Mündung herumfuhrwerkt. Gerade beim linkshändigen Ziehen aus dem Holster aus der rechten Seite ist niemand wirklich perfekt.
  3. Wenn man das Verletzungsszenario ignoriert, dann bleiben noch Halteaufgaben: Beispielsweise die leere oder störende Langwaffe oder das eigene Kind. Und die presst man an die Brust, die lässt man nicht locker neben dem Körper hängen. Für den Koffer mit Plutonium gilt das nicht, für den mit Schwarzgeld wiederum schon.

Also: Hand bitte vor die Brust beim einhändigen Schießen mit Kurzwaffe.

Caveat: Warum ich trotzdem nicht 100% überzeugt bin von der Position vor der Brust: Es ist eine stärkere Position und damit etwas Mogelei. Denn es ist einfacher, Körperspannung für die Muskelkette Faust – Arm – Schulter – Brust – Schulter- Arm – Faust aufzubauen und das hilft beim einhändigen Schießen.

Denn Ihr kennt ja meine Position: ein fester Griff an der Pistole ist alles. Und jetzt versucht mal, die rechte Hand zur Faust zu ballen und die linke locker zu lassen. Wer trotzdem glaubt, dass das keinen Unterschied macht, muss ein Griffkraft-Messgerät zur Hand (harr!) nehmen. Übrigens auch beim IPSC ein guter Trick, wann immer einhändiges Schießen gefordert ist.

Sollte ein Trainer deswegen eine alternative Haltung zum einhändigen Schießen empfehlen, fände ich das nachvollziehbar. Das wäre dann aber mit der Wissenschafts-Nerd-Mütze argumentiert, nicht mit dem coolen Contractor Cap. Ich persönlich würde dann wenigstens die Hand in der Hosentasche oder hinten im Gürtel empfehlen, da baumelt sie einem nicht vor die Mündung und man muss sich nicht konzentrieren, sie nicht zu benutzen.