Ein Gastbeitrag von Peter Schmidtke: Beim praktischen Pistolenschießen ist die Versuchung groß, den Abzug schneller zu betätigen, als es der Trefferplatzierung zuträglich ist. Die „1-2-3 Übung“ poliert Basisfertigkeiten auf und bringt Geschwindigkeit und Genauigkeit wieder in Balance.
Der Autor lernte die Übung während eines Pistolenkurses unter der Leitung des US-Instruktors Tom Givens kennen. „Oftmals wird zu viel auf zu große Scheiben trainiert, was unergiebig ist. Ein kleines Zielmedium zwingt den Schützen dazu, sich wieder auf die elementaren Schießfertigkeiten zu besinnen und die Trefferplatzierung zu steigern“, so der hochkarätige Schießlehrer.
Beim ausschließlichen Üben auf großflächige Silhouetten-Scheiben besteht die Gefahr, den Abzugsfinger schneller zu bewegen, als das Auge in der Lage ist, das Korn erneut zu fokussieren. Um einer falschen Konditionierung vorzubeugen, sollte regelmäßig auch auf kleinere Ziele trainiert werden. Nachlässigkeiten bei den vier Grundfertigkeiten des Schießens, als da wären Visierbild, Haltepunkt, Abzugskontrolle und Nachzielen, treten so offensichtlicher zutage.
Der erfahrene Profi benutzt in seinen Seminaren für den 1-2-3 Drill die in Übersee weitverbreitete Bullseye B8-Ringscheibe. Der Durchmesser des schwarzen Spiegels beträgt lediglich 14 Zentimeter. Zum Vergleich: Die in Deutschland bei Sportschützen gebräuchlichen Kurzwaffen-Ringscheiben besitzen einen Spiegel von 20 Zentimetern. Die Bullseye-Scheibe weist eine um etwa 50 Prozent reduzierte Trefferfläche auf und stellt somit ein anspruchsvolles Ziel dar. Die Beschaffung von US-amerikanischen Zielmedien gestaltet sich hierzulande aber problematisch. Erfreulicherweise bietet der Großhändler Brownells Deutschland mit Sitz in Neumünster die Papierscheiben in seinem Sortiment an. Da der Versand an den Endkunden von Neumünster aus erfolgt, halten sich die Beschaffungskosten im üblichen Rahmen. [Anmerkung von Tobias: Oder man schaut hier: Bullseye B-8.]
Übernommen hat Givens den Drill von seinem Instruktor-Kollegen Wayne Dobbs, der zusammen mit seinem Partner Darryl Bolke die Schießschule HiTS – Hardwired Tactical Shooting – in Texas betreibt.
Die Übung wird jenseits des Großen Teichs in unterschiedlichen Variationen geschossen. Wir stellen die von Tom Givens während seines Aufenthalts in Europa präsentierte Version vor.
Eins-Zwei-Drei. Die Standardübung wird aus fünf unterschiedlichen Entfernungen geschossen: 5 Yards (4,5 m), 7 Yards (6,5 m), 10 Yards (9 m), 15 Yards (14 m) und 25 Yards (23 m). Pro Distanz werden drei Durchgänge absolviert, wobei für jeden Durchgang ein Zeitfenster von vier Sekunden zur Verfügung steht. Beim ersten Durchgang wird 1 Schuss abgegeben, beim Zweiten 2 und beim dritten Durchgang 3 Schuss. Auf jeder Entfernung werden insgesamt 6 Schüsse abgefeuert. Aus den drei nahen Distanzen erfolgt die Präsentation der Waffe aus dem Holster, von der 15 und 25-Yards-Linie aus der Bereitschaftshaltung.
Verdeckt geführte Kurzwaffen sind aus der verhüllten Trageweise zu ziehen, offen getragene Pistolen bei eingelegten Holster-Sicherungssystemen. Laut Empfehlung des Ausbilders sollte der Ziehvorgang möglichst effizient erfolgen. Dazu Givens: „Je mehr Zeit für die Präsentation benötigt wird, desto weniger Zeit bleibt für die gezielte Schussabgabe.“ Toms Instruktion an der Feuerlinie lautete: „Draw fast, shoot carefully!“, sprich „Zieht schnell, schießt sorgfältig!“
Genauigkeit vor Geschwindigkeit. Die Gesamtschusszahl der Standardübung beträgt 30 Schuss, maximal sind 300 Punkte möglich. Pro Zeitüberschreitung sind vom Gesamtergebnis 10 Punkte abzuziehen, wobei der gebrauchsorientierte Anwender der Trefferplatzierung stets eine höhere Priorität einräumen sollte als der Schnelligkeit. Ein Schießergebnis ab 270 Punkte ist als „gut“ zu bewerten. Ambitionierte Schützen können die Herausforderung steigern, indem sie das Zeitlimit pro Durchgang von vier auf drei Sekunden reduzieren.