Schrotflinte, Raider-style

Ein Buch, das ich regelmäßig empfehle, aber hier nie rezensiert habe1, ist „Holloway’s Raiders: A History of the Dallas Police Department’s Deadly Shotgun Squads“ von E.R. Walt. Auch, weil dieses Buch den üblichen Praktiken moderner Shotgun-Kurse entgegen läuft.

Aber zu erst: Was macht ein moderner Shotgun-Kurs? Natürlich immer ausbilden. Aber eben auch unterhalten. Und das meiner Meinung nach mehr als andere Kurse. Denn die Schrotflinte, besonders die Pumpe, ist einfach ein komplexes, spannendes Gerät. Da kann man viel mit machen. Kunstschießerei auf große Distanzen, Nachladen auf Zeit, Munitionswechsel-Drills ohne Ende… und ein Sport wie IPSC fordert davon auch ziemlich viel.

Und wenn man diese Sport-Übungen es auf Selbstverteidigung ummünzt, man kann es immer rechtfertigen mit Sprüchen wie „an jeder Kugel hängt ein Anwalt dran“ und der Frage „würdest Du diesen Rettungsschuss auch machen, wenn Dein Kind die Geisel wäre?“2. Das motiviert verwandte Szenarios: Man könnte ja auch den immer noch feuernden, aber zurückweichenden Gegner auf 50m in einer Menschenmenge bekämpfen müssen…

Alles legitime Gründe in der heutigen Zeit3. Und das führt zu den schon erwähnten wilden Munitions-Wechseldrills. Und passenden Gürteln mit unterschiedlichen Munitionssorten und Schnell-Greif-Optionen. Und Kopfrechnereien, wieviel Schuss man ausrepetieren muss, damit man gleich zwei Slugs schießen kann; wo man nachlädt und so weiter. Oder es führt dazu, dass einige die Schrotflinte nur mit Flintenlaufgeschossen führen – wo ich ja bekanntlich gerne frage, warum dann nicht den Unterhebler in 45/70, der mit seinem gezogenen Lauf die gleiche Leistung auf die dreifache Distanz mit der dreifachen Präzision liefert4?

Aber wisst Ihr, wie früher es Leute gehalten haben, deren klare Aufgabe es war, Gewaltverbrecher über den Haufen zu schießen? Die haben Buckshot geladen. Ausschließlich. Und damit geschossen. Ausschließlich. Und das auch auf 50m. Das war die Regel bei Holloway’s Raiders: Wenn Du nach einem Stakeout keinen angeschossenen oder toten Verbrecher liefern konntest, brauchtest Du gar nicht wieder zum Dienst zu kommen.

Klar, das waren die 50er und 60er Jahre. Da war es der Bevölkerung noch klar, dass jemand, der jemand anderen mit einer Waffe bedroht, eine gefährliche Person ist, die willentlich in Kauf nimmt, das Leben eines Unschuldigen zu vernichten und sich somit außerhalb des für die Gemeinschaft gültigen Rechtsrahmen und damit das Zusammenleben stellt. Aber das alles gilt heute ja nicht mehr. Dementsprechend ist das, was folgt, nur eine Betrachtung aus taktischer Sicht, keine Empfehlung, wie moderne Polizeiarbeit zu erfolgen hat.

Anyway: Das waren viele Schüsse von Leute auf dem üblichen, niedrigen Polizei-Trainings-Niveau innerhalb einer Großstadt. Und damit viel Hinterlandgefährdung. Mehr Schüsse als vermutlich jeder heute aktive Ausbilder mit einer Shotgun auf Verbrecher abgegeben hat. Und die Nebenwirkung war einiges an Sachbeschädigung und keine verletzten Unschuldigen. Über fast 20 Jahre, bis die Squads aus politischen Grünen zugemacht wurden.

Übrigens: Wenn Tom Givens davon spricht, dass eine fünfschüssige Shotgun eine „five bad guys gun“ ist, dann meint auch er eine mit Buckshot geladene Waffe. Ein Schuss, ein bad guy.

Was bedeutet das für mich? Ich reduziere meine Munitionsauswahl und wähle guten, lieferbaren Postenschrot als Standardladung; Slugs, die als Hohlspitz funktionieren, habe ich eh‘ nie besessen, wenn auch immer als technisch cool bewundert; aber auch besonders weit fliegende kaufe ich nicht mehr nach. Tief penetrierende Slugs machen für mich immer noch Sinn (Fahrzeuge, Wildschweine, fahrende Wildschweine), aber die müssen nicht mehr schnell gewechselt werden können. Ich spare mir sämtliche Setups an der Waffe, die zum schnellen Wechsel der Munition gedacht sind. Wenn ich mehr als eine Magazinladung mit mir herumschleppen will, dann erledigt das ein ganz traditioneller Patronengürtel.

Neben dem schon erwähnten Buch bin ich übrigens TB sehr dankbar, mit dem ich mich lange über Schrotflinten unterhalten habe und der von einem Kurs bei Christian Väth über 0-500 ganz andere Eindrücke mitgebracht hatte als ich die bei HunTac gesammelt hatte. Nicht, dass das jetzt genau sein Setup ist, aber ich bin schon etwas mehr in seine Richtung gekommen als das früher der Fall war.

Zu guter Letzt: Dieser Artikel bei Lucky Gunner ist lesenswert, auch wenn wir kaum die selbe Munition kaufen können: https://www.luckygunner.com/lounge/whats-the-maximum-effective-range-of-buckshot/ – immerhin haben selbst die teilweise Probleme, #1 Buckshot zu kaufen.

Update: 23.05.2019: Der Gorillafritz hat ein verwandtes Thema aufgegriffen: Wenn Dein Kugelfang eine befahrene Straße ist, würdest Du dann auf einen Amokläufer schießen? Der Greg sagt: Ja. Der Gewinn überwiegt für ihn die potentiellen Kosten. Vergleicht das mal mit dem obigen Absatz über Hinterlandgefährdung bei Schrot.