Review: Phonak Serenity DP+

Das Phonak Serenity DP+ ist ein aktiver in-ear Gehörschutz. Also ein kleiner Einsatz für den Gehörgang (in ear), der laute Geräusche abregelt und leise verstärken kann.

Eine nette Lösung, die besser mit Hut, Helm oder Schießbrille funktioniert, als die üblichen Kapselgehörschützer, dachte ich mir. Das Serenity ist allerdings kabelgebunden und man trägt eine kleine Box um den Hals, die den Großteil der Elektronik enthält.

Das mag störend wirken, aber mir gefällt die Lösung: Die kompletten in-ear-Lösungen leben von blöden Hörgerätebatterien und wer ältere Familienmitglieder hat, weiß, dass die arschteuer und dauernd leer sind. Das Serenity kommt mit AAA-Zellen aus, also einem der beiden Typen (neben CR123A), die jeder Waffenbesitzer bevorratet haben sollte, schließlich funktionieren Timer, Optiken und Taschenlampen auch damit. Zudem sind die Einstellmöglichkeiten begrenzt – auf einem kleinen Pömpel im Ohr bringt man halt keine komplexe Einstellsteuerung an. Die Box ist daher für mich ein guter Kompromiss.

Das Serenity kommt mit einem Nackenband, das das Gewicht der Batterie- und Elektronik-Box davon abhält, einem die Stöpsel aus den Ohren zu ziehen.

Die Ohrstopfen selbst sind 3D-gedruckt. Dazu geht man zum örtlichen Hörgeräte-Akkustiker und lässt einen Abdruck von beiden Gehörgängen machen. Der schickt das dann zur nächsten Phonak-Niederlassung, die scannen das ein, drucken einen Satz Stöpsel, fräsen die Aufnahme für die Elektronik und senden die angepassten Stöpsel plus austauschbarer Elekronik zurück.

Kostenpunkt sind Stand 2017 etwa 350 EUR, meine waren 420 EUR mit ein paar versteckten Kosten, die ich meinem örtlichen Hörgeräteakkustiker aber nicht anlasten will.

Soweit das Konzept. Wie isses denn nu? Das Review kurz zusammengefasst: Kackding, Finger weg. Länger gesprochen: Das Serenity DP+ krankt an drei Dingen:

Zum einen krankt es an den Kabeln. Dass mich die Kabel überraschen ist ziemlich blöd von mir, das sieht man ja vorher, oder? Kabel an sich sind auch nicht das Problem. Aber wenn man sich die Stöpsel aus dem Ohr zieht, wenn man mit einem Gewehr schnell in Anschlag geht, das ist ein Problem. So getestet bei einem Shotgun-Kurs. Und ja, ich bin den Parkour mit nur einem Ohrstöpsel zu Ende gelaufen. War kein sooo großer Spaß.

Kommt man drum rum, wenn man sich die Kabel festklebt – für Träger des super-populären taktischen Gesichtskevlars, vulgo: Bart, bleibt nur das Ohrläppchen. Sieht dann ziemlich nach Personenschutz aus, macht man aber nur einmal.

Teilweise ist das ein Problem der Aufhängung, teilweise des Stöpsels selbst, der starr und hart ist und damit leicht aus dem Ohr rutscht.

Die Box selbst hat übrigens keine ähnlichen Probleme gemacht. Ich kenne Leute, die die unter dem Hemd tragen, aber auch auf dem Hemd ist die dem Gewehrtrageriemen nicht störend in die Quere gekommen. Auf einem Platecarrier angeklippt dürfte sie auch nicht stören (schlimmstenfalls kriegt sie eine Kydex-Abdeckung), das hab ich allerdings bisher nicht probiert.

Zum anderen stinkt die Geräuschqualität. Die Serenitys klingen fies blechern. Und ich hab ja nicht nur das Premium-Modell von Sordin und bin dementsprechend verwöhnt, ich hab auch ein paar aktive Howard Leigh Gehörschützer in der 80EUR-Mittelklasse. Selbst die machen das besser. Kann man sich dran gewöhnen und hätte ich auch in Kauf genommen, wäre die Elektronik im Ohrstöpsel untergebracht (Hörgeräte kriegen das zwar hin, aber deren Preise sind absurd), aber hier gibt es ja die gar nicht mal kleine Box um den Hals, das ist also keine Entschuldigung. Die Sordins können da mehr auf kleinerem Raum.

Und zu guter Letzt ist die Dämpfung beschissen. Für Pistolenschießen auf einem typischen geschlossenen Mehrdistanzstand sind die nicht geeignet. Mögen andere Schützen, die vermutlich häufiger mal ohne einen Gehörschutz geschossen haben, anders sehen; zum Glück gibt es objektive Maßstäbe für Hörqualität. Meine ist völlig normal, wie mir die amtsärztliche Untersuchung bestätigt1. Wenn mir was in den Ohren weh tut, dann sollte das bedenklich sein.

Um das zu illustrieren: Meine treuer Sordin-Kapselgehörtschützer, unheimlich dünn und daher von Anfang an mit weniger Dämpfung als das Konkurrenzprodukt von Peltor; mit Brille mit starrem Bügel drunter, der die Abdichtung ruiniert; ohne Gelpolster sondern mit den originalen Schaumstoffpolstern, die über die Jahre auch einiges an Volumen verloren haben; dieser Sordin Supreme funktioniert um Längen besser.

Eventuell könnte natürlich der angepasste Einsatz nicht stimmen. Aber wenn ich einen Hörgeräte-Akkustiker dafür bezahlen muss, den anzupassen und das nicht funktioniert, dann taugt das gesamte Konzept nicht. Vielleicht ist es dem Material geschuldet: Damit man die Mini-Lautsprecher in den Ohrstöpsel einsetzen kann, muss da natürlich eine Aufnahme rein. Die ist mit Unterschneidung gefertigt. Das verlangt schon ein wenig Fräsarbeit, sowas vorher schon im Druck vorzubereiten ist nicht sooo einfach. Fräsen tut man am besten in hartem, steifen Material, ergo ist der Ohrstöpsel steif. Die normalen passiven Stöpsel, die man in Industrie-Berufen von liebenden Arbeitgebern bekommt, sind weicher. 3D-Drucken in flexiblem Material kommt gerade. Eventuell löst das in Zukunft die Probleme sowohl mit der Abdichtung als auch die schon erwähnten mit dem Halt im Ohr.

Wie rettet man das jetzt? Für den typischen, äh, taktischen Multigunner wie mich isses zweifellos nix.

Ich hätte es ja gerne Jägern empfehlen wollen: Die Dämpfung dürfte für den Schuss im Wald reichen. Aber dann muss man zum einen noch mit dem Kabelproblem klar kommen (gerade der schnelle Anschlag bei Treib- oder Drückjagden scheint mir problematisch), zum anderen würde ich mir da bessere Tonqualität wünschen (zumindest für die Ansitzjagd).

Pistolenschützen hätten auch kein Problem mit den Kabeln, aber wie gesagt, die Dämpfung taugt nicht für die übliche geschlossene 25m Bahn, egal ob Mehrdistanz oder nicht.

Also: Keine Ahnung, wer’s gebrauchen kann.

Wie rette ich es für mich? In dem ich den Verstärker-Teil abnehme und passive Stöpsel draus mache. Ein wenig 2k-Knetmasse in die Ohrstöpsel rein und ich hab was, was bequem unter dem Sordin Supreme als Verstärkung getragen werden kann, sollte ich noch mal ein .50 BMG Gewehr kaufen.

Fußnote: Ein wenig schade ist, dass ich die Dinger in beige bestellt hatte, sie aber in grün kamen. War mir zu Beginn egal, weil ich ja eh‘ Kabel und Box mit mir rumgeschleppt hab, die nicht unauffällig sind; aber jetzt, wo ich die nicht benutze, ärgere ich mich. Zudem wußte mein örtlicher Hörgeräte-Akkustiker nicht, dass die personalisiert werden, sonst hätte ich mir eine eigene Kennung gewählt2. Beides kein Beinbruch, aber eben ein Problem, was dem Verkaufsprozess mit Zwischenstation beim Akkustiker geschuldet ist.