IFAK überdacht…

Mittlerweile kann jeder, den ich kenne und der ernsthaft schießt, Tourniquets bedienen und trägt ein paar davon mit sich rum. Zeit mal zu fragen, ob das ausreicht:

Der verlinkte Artikel weißt darauf hin, dass Extremitäten-Wunden im Militär bei Trägern dank Körperpanzerung und ob der Angriffe via IED die Hauptgefahr sind. Soweit klar. Dann aber schaut er auf zivile Verletzungen bei Amoklagen und bemerkt, dass dort Kopf- und Torsotreffer die meisten tödlichen Folgen haben. Für Kopftreffer fehlt uns allen noch ein Wundermittel, aber auch Brust- und vor allem Lungentreffer sind behandelt überlebbar. Mittlerweile gibt es Chestseals fertig und wir müssen nicht mehr mit Panzertape und Frischhaltefolie experimentieren wie in der Steinzeit (also vor zehn Jahren).

Das IFAK

In dem IFAK, das also jeder Prepper oder Schütze mit sich trägt, sollten ein paar Chestseals vorhanden sein. So cool es ist, ein TQ in der Hosentasche oder, meine bevorzugte Lösung, im Knöchelholster dabei zu haben, die Situationen, derer man damit gefeit sein will, verlangen auch ein Chest Seal1.

Was denn sonst noch? Ein Tubus für die Atemwege2 ist vermutlich generell nützlicher aber etwas komplizierter zu bedienen, kommt damit für mich persönlich auf Platz 3. Weit abgeschlagen sind die Entlüftungsnadel für den Spannungspneumothorax, so kompakt sie sein mag und so cool das wirkt, und das Koniothomie-Set3.

Aber ich wollte noch zwei weitere Themen ansprechen: Zum einen, das es ja noch andere Bedrohungslagen gibt, zum anderen über die Wahrscheinlichtkeit, jemandem zu helfen.

Bedrohungslagen

Ich hab TQs sowohl in meiner Waldarbeitshose, denn Kettensägen sind fies, als auch in meinem Werkstatt-Erste-Hilfe-Kasten, denn vor Ort befinden sich Kreis-, Säbel- und Stichsäge. Da braucht es keines der anderen schon erwähnten Hilfewerkzeuge, statt dessen aber z.B. Augenspülung. Denn all diese Hilfsmittel sind ja keine Talismänner, die dank ihrer Existenz Probleme vermeiden, man muss sie schon passend anwenden (können).

Ein Freund erwähnte zudem noch, dass er die Einstiegs-Situation anders sieht: In Deutschland ist die Gefahr aus seiner Sicht höher, Opfer eines Messerangriffs zu werden als eines Schusswaffen-unterstützen Amoklaufs. Und Defensiv-Wunden gegen Messerangriffe sind ja oft Schnittwunden. Deswegen könnte man geneigt sein, sich nur auf ein TQ zu verlassen. Ich persönlich sehe das etwas anders: Die meisten Defensiv-Wunden sind meines Erachtens nach Stichwunden im Torso, die man sammelt, während einem überraschend langsam klar wird, dass man gerade Opfer eines Messerangriffs ist.

So oder so: Beides Hilfsmittel sind wichtig. Daher noch ein Blick auf die absoluten Wahrscheinlichkeiten, dass so etwas hilft.

Wahrscheinlichkeiten

Wenn Ihr Euch mal anschaut, wie gering die Überlebenschancen in der Studie überhaupt sind (7% im Beispielfall für Kopf- und Torsotreffer), mit oder ohne Behandlung, dann ist der wichtigste Teil folgende Erkenntnis:

Gewöhnt Euch vorher an den Gedanken, dass Ihr alles tut, um ein Leben zu retten und es trotzdem nicht klappt. Das gilt für Brust-Schuss-Verletzungen genau wie für einfache Herz-Lungen-Wiederbelebung. Letztere hat eine Langzeitüberlebenschance zwischen 2% und 7% sagt mir Wikipedia.

Wenn Ihr Euch übrigens immer gefragt habt, warum man im amerikanischen Fernsehen immer nur die Herzdruckmassage sieht und nicht die Atemgabe, die wir in Deutschland meistens ausbilden4, dann liegt das daran, dass die zusätzliche Atemgabe im Verhältnis zur insgesamt geringen Überlebenschance selbiger nur sehr wenig Verbesserung bringt. Und da nicht jeder Lust auf die Beatmung irgendwelcher Unbekannten hat5, haben die Amerikaner beschlossen, dass sie den Teil lieber nicht ausbilden und die minimal geringere Überlebenschance tauschen wollten gegen eine höhere Bereitschaft, überhaupt zu helfen.

Anyway: Das Fernsehen lügt. Die meisten Opfer kommen trotz aller Bemühungen nicht wieder zurück. Das ist nicht Euer Fehler. Und damit ist das kein Grund, selbst ein Fall für die Psychotherapie zu werden. Wenn Ihr Dinge im Kopf „wargamen“ wollt, dann bereitet Euch auch auf so etwas vor. Ich hab das bei THW und Rettungsdienst meist vermisst – die sind verhältnismäßig gut mit ihrer psychologischen Nachsorge, aber etwas Vorsorge wäre vermutlich günstiger und besser.

Mit diesen ernüchternden Worten schließe ich hier. Trotzdem noch einen schönen Sonntag!