Die Sig P 320, Modularität und Gesetze

Ich mag die Sig P 320. Ich finde, sie bringt nicht so viele Verbesserungen mit sich, dass ich von meinen Glocks wechseln werde, denn da hängen bei mir ja ein paar tausend Euros an Ausbildung und Ausrüstung dran. Aber für jemanden, der jetzt eine Pistole kauft, scheint mir das Ding ideal. Was mich aber nicht los läßt:

Die Geschichte mit den Griffstücken. Wir rekapitulieren: Bei der P 320 sind Abzugseinheit und Griffstück getrennt. Deswegen liest man vieler Orts, dass die Griffstücke kein wesentliches Waffenteil sind und frei erhältlich. Das stimmt auch in den USA1, aber wie ist das in Deutschland2?

Wesentliche Teile sind
[…]
1.3.4
bei Kurzwaffen auch das Griffstück oder sonstige Waffenteile, soweit sie für die Aufnahme des Auslösemechanismus bestimmt sind.

Waffengesetz (WaffG) Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4) widerspricht dem also schon ziemlich explizit, oder? Okay, etwas unscharf: Es geht es hier klar um Waffenteile, die für die Aufnahme des Auslösemechanismus bestimmt sind. Aber unklarer ist, ob es um „das Griffstück“ geht oder „das Griffstück, das für die Aufnahme des Auslösemechanismus bestimmt ist“.

Argumente

Bei letzterer Auslegung kann man dagegen argumentieren (so der gute PR, den ich hier mal paraphrasiere und der sich nicht wehren kann), dass das Griffstück eben nicht der Aufnahme des Auslösemechanismus dient, sondern die Abzugseinheit den Auslösemechanismus aufnimmt und das Griffstück nur die Abzugseinheit. Ich finde das arg wackelig.

Ja, wenn man das zu weit fasst, ist auch das Holster ein Waffenteil, das den Auslösemechanismus aufnimmt und das ist definitiv nicht so gemeint. Aber Auslösemechanismus und Abzugseinheit sind sprachlich schon nah aneinander, weil sie inhaltlich nah an einander sind. Und das Griffstück ist sogar explizit erwähnt, während Holster definitiv keine Waffenteile sind.

Ich würde mich darauf nicht verlassen wollen, wenn ich der erste wäre, der das versucht. Bin ich aber nicht. Die imperative Macht des Faktischen sagt: Man kann Griffstücke hier frei kaufen, ist also so gedacht. Isso.

Aber seltsam ist es schon und deswegen philosophiere ich hier: Wir können zum Vergleich Glock-Griffstücke herbeiziehen, die als wesentliche Waffenteile gelten. Niemand kriegt einfach so ein Glock-Griffstück eingetragen. Im Ausgleich ist die Abzugseinheit für Glocks  einfach so erhältlich…

Ich denke, der Unterschied ist einfach ein praktischer: Wechselsysteme in gleichem oder kleinerem Kaliber brauchen kein separates Bedürfnis. Mit mehreren Glock-Griffstücken und mehreren Wechselsystemen hätte man zeitgleich mehrere Pistolen und nur eines der (meist) zwei Bedürfnisse dafür Kurzwaffen verbraucht. Bei Sig geht das nicht, da man die Abzugseinheit nicht einfach so erwerben kann: Mehrere Wechselsysteme und mehrere Griffstücke ergeben zwar viele Kombinationen, aber nicht mehrere funktionsfähige Waffen zur gleichen Zeit.

Damit ist der Intention des Gesetzgebers genüge getan, wenn auch die Formulierung des Gesetzes nicht so wirkt.

Okay, damit kann man arbeiten, auch wenn es nicht allzu zuverlässig ist.

Parallelen

Jetzt bleibt nur, mal die Intention des Gesetzgebers zu kritisieren: So nachvollziehbar sie ist unter der (dämlichen) Prämisse „weniger Waffen in’s Volk“, so inkonsequent ist sie: Sie gilt nur für Kurzwaffen. Das technische Equivalent (und vermutlich auch die Inspiration für SIG) bei Langwaffen ist der AR-15-Lower und die Abzugsgruppe: Hier sind beide frei erhältlich.

Was hält jetzt den Sportschützen, der auf 3 Langwaffen beschränkt ist, davon ab, sich auf einen LW-Eintrag zahlreiche Upper als Wechselsystem zu kaufen und dazu passend frei erwerbliche Lower? Nein, das ist keine Gesetzeslücke, die ich hier verpetze, denn das ist längst geregelt: Die angenommene Intention des Besitzers spricht dagegen, das zu tun. Wer mehrere Upper hat und mehrere passende Lower hat, dem wird der Gesetzgeber unterstellen, dass er da mehrere Waffen drauf bauen will und ihm das böse ankreiden.

Das hatten wir auch schon beim Erwerb von Vollauto-Umschaltern für die Glock und Vollauto-Griffstücken für das AR-15: Wer keine Glock besaß oder kein AR-15, der war sicher, alle anderen mussten die Unterstellung der Intention zur Nutzung fürchten. Hab ich schon mal gesagt, wie wenig ich unklare Gesetze, die auf Annahmen basieren hasse und wie unheimlich zerstörerisch ich die für den demokratischen Prozess halte?

Konsequenzen?

Gut dabei ist allerdings, dass man nun annehmen könnte, dass mehrere Lower ohne Abzugseinheit diese Intention nicht repräsentieren, denn das entspricht ja der Regelung bei der Sig P 320…

Natürlich gibt es dafür bisher kein Beispiel und es wäre extrem riskant, sich auf meine Überlegung zu verlassen. Wie schon gesagt, unklare Gesetze und Annahmen wirken immer zum Nachteil des Bürgers, nie zu seinem Vorteil.

Aber sollte mal eine doofe Situation entstehen, würde ich von einem Anwalt erwarten, dass er in diese Richtung argumentiert.

Ceterum censeo…

Zu guter Letzt eine für die meisten offensichtliche, aber immer mal wieder notwendige Kritik: Dass die Kontingentsbeschränkung an sich inkonsequent ist, das zeigt meine WBK als Jäger, denn ich habe überhaupt keine solche Mengen-Beschränkung bei Langwaffen, wie mein Waffenschrank und mein Konto belegen. Und seit Jahrzehnten zeigt sich, dass auch das überhaupt kein Problem für die Sicherheit in Deutschland darstellt. Habe ich schon gesagt, dass Mengenbeschränkungen weg müssen?