Schäfte, Rückstoß und Visierungen

Eventuell habt Ihr den Link bei TFB gesehen: Håkan Spuhr erklärt die Probleme mit der Ergonomie des G3, die er sieht.

Falls Ihr die Firma nicht kennt: Spuhr baut G3-Accessoires, wichtiger sind meiner Meinung nach aber deren Scope-Mounts. Die sind simpel, stumpf, meist nicht leicht verstellbar und schweineteuer. Und genau das richtige für Präzisionsgewehre.

In diesem Fall geht es aber vor allem um den Spuhr G3-Hinterschaft. Der erfüllt die üblichen Spuhr-Kriterien, was Häßlichkeit angeht und er scheint ideal für seinen erdachten Zweck: Den Rückstoß des G3 gerade nach hinten zu leiten, damit die Waffe im schnellen Feuer weniger springt.

Das Design kennt Ihr vom AR-15. Und das Problem auch: Wer den Schaft in einer Linie mit dem Lauf anbringt, der braucht höhere Visierungen1. Man kauft sich zudem das Problem mit dem größeren Offset ein.

Das Offset-Problem ist zu vernachlässigen, denke ich: Eine Visierung zeigt eh‘ nur auf zwei Entfernungen mal genau auf den Treffpunkt und bei der typischen Einsatzreichweite eines modernen Gewehrs ist es mehr oder minder egal, wann das das zweite Mal passiert – das erste Mal kann man ja einstellen, wie man will2.

Damit bleibt das Problem, das man höhere Visierungen benötigt. Kein Problem beim Design von neuen Waffen – deswegen hat es für das AR-15 schon vor 60 Jahren geklappt. Auch kein Problem bei modernen Waffen mit durchgehender Picatinny-Schiene auf der Oberseite. Aaaaber beim Nachrüsten alter Waffen wie FN FAL, AK, vz58 und eben G3 ist das ein Problem.

Naja, es sei denn, man nimmt einen Rotpunkt: Håkan Spuhr macht genau das. Ihm reicht das, weswegen er in meinem Kopf sofort ein „Gamer“ war. Aber nachdem ich dieses Bild hier von dem SAS-Menschen in Nairobi gesehen habe, muss ich einsehen, dass zumindest das BUIS auch echten Warfightern scheinbar nicht wichtig ist3

Also, eventuell ist es auch für mich Zeit, die BUIS mal sein zu lassen. Gerade bei meiner vz58 besteht nämlich das Problem, dass ich einen gerade laufenden AR-15-Schaft angebracht habe. Da funktioniert die Standard-Visierung eh‘ nicht mehr. Deren einzige Manko ist nun, dass man dort noch schlechter einen Rotpunkt anbringen kann als an der AK, denn die Lösung a la UltimAK funktioniert nicht, die obere Gasröhre muss abnehmbar sein. Eventuell ist es Zeit, die Kimme abfräsen zu lassen und eine Picatinny-Schiene anzubringen…

Allerdings muss ich trotzdem sagen, dass ich Spuhr trotzdem nicht ganz verstehe: Für eine persönliche Waffe ist das sicherlich eine tolle Sache. Und ich weiß ja, dass TB eine ganz besondere Liebe zu aufgemotzten G3s hat. Aber bevor ich wieder ein G3 in die Hand nehme4, nehme ich einfach ein SR-25/AR-10. Das kann das alles schon, ist leichter, nimmt die richtigen Magazine und die riesige Optik-Auswahl vom AR-15 verdaut es auch. Ah, und es steht im Schrank in Form eines überraschend guten R-25.

Wenn ich sowas allerdings einer Armee schmackhaft machen will, wie es Spuhrs Plan scheint, dann sehe ich das Problem, dass deren Haupt-Wunsch zu sein scheint, die Bedienung der Waffe möge sich nicht ändern. Ein Schaft, der eine andere, weit aggressivere Schießtechnik und eine neue Optik erfordert, ist da doch der größte Albtraum, oder?

Eine weitere Frage, die ich mir stelle, ist, wie wichtige eine bessere Kadenz eigentlich ist? Das FN FAL wurde mir mal beworben als eine Waffe, die sich genau so angenehm schießt wie eine Bockflinte. Wer den Schaft anschaut, weiß, wie das gemeint ist. Bei solchen Waffen ergibt sich bei mir tatsächlich ein angenehmer Schießrhythmus. Den hab ich witzigerweise sogar mal beigebracht bekommen von einem GROM-Angehörigen mit ordentlich Praxiserfahrung, also kann das gar nicht so schlimm sein.

Umgekehrt ist so ein höherer Schaft natürlich nett bei Waffen, bei denen man eh‘ einen Rotpunkt oder ZF anbringen will, den aber nicht so niedrig bekommt wie die normale Visierung und den Kopf eh‘ höher nehmen muss.

Zusammenfassung: Schaft und Visierung bilden ein eng verzahntes System. So lange der größte Rückstoß von Höhe des Patronenlagers kommt, muss die Visierung sehr viel höher sitzen, wenn man den Rückstoß gerade zurück leiten will. Wenn man aber zusätzlich zur Hauptvisierung noch eine Backup-Visierung anbringen will, ist man bei älteren Systemen meist aufgeschmissen. Und am Ende bleiben zwei „braucht man das wirklich?“ Fragen: Braucht man den gerade zurückgeleiteten Rückstoß und die bessere Kadenz? Braucht man die Backup-Visierung?