300 Blackout

.300 AAC Blackout ist längst nicht mehr hip. Im Gegensatz zu vielen neueren Wunderkalibern wie 6.5 Grendel, 6.8 SPC1 oder .260 Remington2, hält es sich schon lange. Und wider Erwarten steht keine Büchse damit bei mir im Schrank. Vielleicht ändert sich das ja nach diesem Artikel.

Was kann .300 BLK? Zwei Dinge: In der Überschall-Variante ist es der ballistische Bruder von 7.62×39, meiner Meinung nach dem besten Kalaschnikow-Kaliber am Markt. Und in der Unterschallvariante ist es eine 9mm Para oder .45 ACP mit besserer Flugbahn, die danach schreit, schallgedämpft zu werden.

Ich denke, die Tatsache, dass dieses Kaliber zwei Dinge erledigt, ist, was es den anderen, kurzlebigeren Trend-Kalibern überlegen macht. Die lohnt es sich, getrennt anzuschauen.

Der Kaschi-Ersatz

300 Blackout in der Überschallvariante ähnelt 7.62×39 sehr stark. Und ich hab schon mal erklärt, dass ich das Kaliber liebe, weil man relativ einfach bei einem guten Gesamtsystem landet: Das Kaliber funktioniert mit weniger Lauflänge als .223 Rem, die geringere Maximalreichweite macht Diskussionen über Zielfernrohr gegen Rotpunkt überflüssig und man bekommt ein Geschoss, das doppelt so schwer ist und sich weniger leicht durch Vegetation ablenken lässt und besser penetriert. Aus einer Kaschi macht man einfacher ein stimmiges Paket als aus einem .223 Rem AR-15. Und genau so schnell bekommt man ein stimmiges AR-15 in .300 Blackout.

Die Patrone

Zudem hat die Patrone 7.62×39 einige Eigenheiten, die besser zur Kaschi passen: Es ist auch heute noch vergleichsweise günstig, wenn man damit leben kann, vermutlich korrosive Munition zu bekommen und nur ein Geschossgewicht und -typ bekommt. Der noch in eine Stahlhülse gepackt ist, was passt, weil Kaschis ja Hülsen kaputt hauen. Exklusive Munition ist selten, jagdlich taugliche ebenfalls und wenn, dann ausnehmend teuer. Wiederladen lässt es sich schlecht, weil es .310-.312-Geschosse erfordert und Hülsen nicht lange halten. Die Hülse ist dank der ausgeprägten konischen Form ideal zum Ausziehen.

.300 Blackout ist ähnlich, hat aber Eigenschaften, die besser zum AR-15 passen: Normale Munition ist im Vergleich teurer, spezialisierte etwas günstiger und viel zahlreicher. Wiederladen geht sowohl beim Geschossdurchmesser besser als auch, weil ARs Hülsen nicht kaputt hauen und weil man .223 Hülsen umformen kann. Die Hülse ist zwar nicht ideal zum Ausziehen, passt aber wie Arsch auf Eimer zum AR-15-System, was ja immer Probleme hat mit dem größeren Stoßboden der 7.62×39.

Wo 7.62×39 die beste billige Lösung ist, ist .300 Blackout die beste Liebhaber-Lösung. Wiederladen wird allerdings wichtig. Das mag doof sein, aber hier hat es viel Wert, weil man eh‘ zwei Patronen laden muss: Die Unterschall- und die Überschall-Variante.

Die Unterschall-Variante

Jeder mag Schalldämpfer. Deutschland verhält sich das parallel zu den USA, da sind die Dinger auch im Trend. Und deswegen liebt man die 300 BLK. Oder nennen wir sie .300 Whisper, um JD Jones Respekt zu zollen. Der hat ja das ursprüngliche Konzept erfunden und zwar mit dem Hinblick auf Schalldämpfer-Verwendung.

Die Unterschall-Variante hat allerdings weit weniger Leistung. Was aber vielleicht gar nicht so wichtig ist: Im zweiten Weltkrieg reichte .45 ACP für das DeLisle Carbine aus, und die Leistung von 45 ACP und 9mm Para erreicht 300 BLK auch. Wer an „location, location, location“ bei Treffern glaubt, der wird mit der 300 einfach so out-of-the-box zufrieden sein, denn was 300 BLK besser kann als die Pistolengeschosse, ist die Flugbahn. Klar, vom Aufbau sind die schweren .30 Geschosse VLDs, also very low drag im Vergleich zur Pistolenmunition.

Allerdings ist nicht alles rosig, finde ich: Die Auswahl an Hohlspitzgeschossen oder zuverlässig taumelnden Geschossen ist minimal. Stand Dezember 2017 kriegen wir in Deutschland genau ein Geschoss mit  wenigstens mittelmäßigem Ruf für Zielwirkung, das 208gr A-MAX.  Das ist auch klar, denn der Vorteil von .300 BLK, die Nutzung von vorhandenen .30 Geschossen, ist auch ihr Nachteil: Die Geschosse sind nicht für Unterschall gedacht. Himmel, die wirklich schweren Geschosse über 200gr sind ja nicht mal für .308 Win gedacht, sondern für.300 WinMag aufwärts. Die brauchen normalerweise viel höhere Geschwindigkeiten, um zu funktionieren. Allerdings wird es in den USA gerade besser, kann sich bei uns also nur noch im Jahre handeln…

Trotz allem: 9mm Para und .45 ACP haben eine riesige Auswahl an tauglichen Hohlspitzgeschossen, die extrem zuverlässig auch im Unterschallbereich funktionieren. Wer nur so schießt, ist mit einem der beiden Kaliber imho weit besser bedient, zumal das Training damit um Längen günstiger ist.

Der Hybrid

300 BLK ist vielleicht gegenwärtig nicht optimal im Unterschallbereich, aber gut ist es schon. 300 BLK ist meiner Meinung nach toll im Überschallbereich, aber manch einer wird die bessere Reichweite und längere Einsatzzeit von .223 Rem bzw. 5.56×45 NATO bevorzugen.

Trotzdem ist es in Kombination ungeschlagen: Mit einem Magazinwechsel (und einer Einstellung am Gasblock, hoffe ich) vom einen in den anderen Modus zu wechseln, das ist top. Früher hatte ich Bedenken, dass man Läufe mit unterschiedlichem Drall brauchen würde, aber das scheint sich nicht zu bewahrheiten.

Warum habe ich also noch kein .300 BLK-AR-15? Weil ich schon ein paar in .223 habe, was den Supersonic-Bereich abdeckt. Und ein paar Kaschis in 7.62×39. Und für Subsonic ein 9mm AR-15.

Aber wenn ich mal wieder vom einen Gewehr für alle meine Einsatzzwecke träume, dann ist das eines .300 BLK. – im Sinne von „wenn Ihr die Wahl hättet zwischen Traumfrau und Traumwaffe… welches Kaliber hätte die dann?“