Konflikt-Kommunikation: Grenzen setzen

Vor dem Aufs-Maul-Hauen oder Über-Den-Haufen-Schießen kommt ja ärgerlicherweise noch ein wenig Kommunikation.


Okay, zumindest habe ich den Eindruck, dass viele das als ärgerliches Hindernis empfinden. Das Problem dabei ist, dass wir dementsprechend wenig Aufmerksamkeit aufwenden, wie sich Kommunikation eigentlich trainieren lässt. Wir laufen den Kommunikationspart in den üblichen Szenarios-Trainings meist recht unreflektiert durch.

Tatsächlich scheint mir das typische Szenario-Training, egal ob bei ECQC, DP oder SC eher ein Bad-Guy-Training: Leute lernen, wie sie gut einen Streit anfangen. 1

Teilweise ist das der Trainingskünstlichkeit geschuldet: Das Szenario muss ja weiter gehen, irgendwann will man trainieren, sich zu hauen, stechen oder schießen. Und teilweise auch der Ausrüstung: In einem Spartan-Helm mit Zahnschutz kommuniziert es sich einfach nicht gut. Aber unangenehm oft ist es dem geschuldet, dass wir kein klares Konzept haben, wie die zugehörige Kommunikation funktioniert. Mir ist es gerade erst klar geworden, wie wertvoll ein klarer Satz Regeln ist. Und Rory Miller (den ich schon mal im Kontext von „Meditations on violence“ erwähnt haben sollte) hat ziemlich klare Regeln für das Setzen von Grenzen:

  1. Erkläre Deine Grenze
  2. Wiederhole Deine Erklärung
  3. Erkläre die mit dem Nicht-Befolgen verbundene Strafe
  4. Setze die Strafe um

Das ist natürlich variabel:

  1. „Verpiss Dich“
  2. „Verpiss Dich“
  3. „Verpiss Dich oder es gibt auf’s Maul“
  4. *hau auf’s Maul*

Oder auch:

  1. „Bitte fassen Sie mein Kind nicht an“
  2. „Fassen Sie mein Kind nicht an“
  3. „Fassen Sie mein Kind nicht an oder ich rufe die Polizei“
  4. *Foto machen und Polizei anrufen*

Beides völlig anders, beides nützlich in anderen Situation und beides ist auch nur authentisch und damit überzeugend für ganz andere Menschen. Man kann lange diskutieren über Details wie, ob man bei Punkt 1 das Wort „Bitte“ verwenden darf2 oder ob man „ich hab schon einmal gesagt…“ bei Punkt 2 einsetzt3.

Aber das sind Feinheiten. Die Abfolge ist wichtig.

Folgende Fehler kenne ich aus Szenario-Training:

  • Man lässt sich in ein Gespräch verwickeln. Damit scheitert man schon an Schritt 1, nämlich eine Grenze zu setzen.
  • Man wiederholt seine Grenze wieder und wieder, ohne eine Strafe anzudrohen oder bei Überschreitung diese auch umzusetzen
  • Man droht eine Strafe an, ohne sie umzusetzen (eher selten bei den typischen Teilnehmern eines SV-Kurses, aber typisch bei höflichen Menschen oder solchen, die davon ausgehen, dass ihr gegenüber sich über die Konsequenzen im Klaren ist)
  • Man springt direkt zu 4 (bei vernünftigen Menschen eher ein Fall von Trainingskünstlichkeit – man weiß ja, wie das Szenario weiter gehen soll).

Diese klaren Regeln, die Rory Miller aufgestellt hat, halte ich für sehr nützlich. So. Jetzt noch Szenarios üben, bis das auch sitzt…