Langwaffe im Kurzwaffenkaliber

Falls Ihr es noch nicht mitbekommen habt: 2017 ist das Jahr der „Langwaffe im Kurzwaffenkaliber“. Okay, für die Vernünftigeren unter Euch muss ich eventuell vorher noch was erklären: Ja, es gibt Trends bei Waffen. Eigentlich albern, iss‘ aber so.

Ich denke, ich kann nicht bestreiten, dass ich ein Hipster bin, was das angeht: Egal welcher Trend, ich bin normalerweise schon lange fertig damit, wenn es aufkommt. Tactical Beard? Check. AIWB? Check. Kurzwaffe mit Rotpunkt? Check. Grey Man? Check. Und Langwaffe im Kurzwaffenkaliber: Ach, schon längst!

Zwei davon sogar: Eine Beretta CX4 Storm und eine maßgeschneiderte und mundgebissene HAR-15 von Horner Arms.

Sind tolle Waffen. Das erzählt einem jeder. Hey, Michael Bane macht eine Serie dazu! Nutnfancy reitet seit Jahren auf dem Begriff PCC (pistol caliber carbine) rum, entsprechend seiner Angewohnheit, andere Begriffe zu verwenden als der Rest der Welt.

Aber warum das tolle Waffen sind, da scheiden sich die Geister. Es gibt zahlreiche absurde Ideen; einige, die nur in bestimmten Gesetzeslagen stimmen; und wenige treffende. In diesem Artikel vergleiche ich mal Langwaffen im Kurzwaffenkaliber mit erwachsenen Langwaffen.

Gute Gründe

  1. Es ist ein tolles Trainingsgerät: Ich muss echt weit fahren und echt viel zahlen, wenn ich eine Langwaffen-kompatible 50m Mehrdistanz-Bahn haben will. Kurzwaffe? Viel einfacher.
  2. Es ist ein günstiges Trainingsgerät, wenn man die Anschaffungskosten ignoriert: Auch wenn 9mm Para mittlerweile mehr kostet als früher 7.62×39 und ich mich ärgere, nicht gleich mehrere Paletten gekauft zu haben, ist sie zum gleichem Zeitpunkt immer besser. Wenn man die Anschaffungskosten mit betrachtet, dann… muss ich feststellen, dass mein HAR-15 vermutlich meine teuerste Waffe ist. Selbst wenn ich 20 Cent pro Schuss spare, muss ich zum Break-Even erstmal 12.500 davon verballern.

Spezifische Gründe

  1. In den USA ist es leichter, mit einer Pistole über eine Landesgrenze zu fahren als mit einem SBR. Das an sich sagt noch nicht viel aus, weil man auch in 5.56×45 und 7.62×39 „Pistolen“ nach amerikanischer Definition kaufen kann. Aber es gibt den Aberglauben, dass 9mm leichter zu schießen sei.
  2. Kurzwaffenmunition ist leichter zu dämpfen als Langwaffenmunition – weniger Gasmenge, geringerer Gasdruck, Unterschallmunition üblich.
  3. 147gr 9mm Para ist eine technisch sinnvolle Unterschall-Alternative zum Szene-Liebling 300 Blackout, wenn man Auswahl bei Unterschall-Hohlspitzmunition haben möchte.

Absurde Gründe

  1. Ein 9mm AR-15 soll leichter zu schießen sein als eines in .223 Rem. In der Theorie völlig korrekt, in der Praxis nicht: Das würde gelten, falls beide Waffen das gleiche Verschlusssystem hätten. Aber 9mm wird eigentlich immer mit Masseverschluss ausgeführt, nicht als Gasdrucklader. Das ist, Überraschung!, viel mehr bewegte Masse.
  2. Eine solche Waffe soll leichter sein. Die Frage ist immer „leichter als was?“. Masseverschlüsse sind per Definition nicht leicht. 9mm-Munition mag leichtere Hülsen haben als 5.56 NATO, hat aber doppelt so schwere Geschosse. Das tut sich alles nichts.
  3. Ein Gewehrlauf holt mehr Leistung aus einer Kurzwaffenpatrone als eine Pistole. Ein Sachverhalt, der für überzüchtete Monstren wie .357 und .44 Magnum stimmen mag, für 9mm aber weit überschätzt wird. Himmel, Hersteller von 9mm-Hohlspitzmunition betonen meist, wie gut ihre Produkte aus besonders kurzen Läufen funktionieren! Zudem: Wow, eine (fiktive) 9mm mit 50% mehr Mündungsenergie! Tut trotzdem nicht viel mehr.
  4. Man nehme ein obskures Kaliber wie .22 TCM 9R oder 5.7×28, konvertiert seine 9mm-Waffe darauf und hat endlich eine PDW! Natürlich muss man sich vorher fragen, ob eine PDW ein sinnvolles Konzept ist 1
  5. Verwandt damit ist die Idee, was anderes als 9mm für die Langwaffe im Kurzwaffenkaliber zu verwenden. Während .45 ACP noch nett ist, da per se Subsonic und gelegentlich ebenfalls günstig, gibt es einen Haufen anderer Ideen für stärkere Kaliber wie z.B. 10mm Auto, dem feuchten Traum aller Tom-Clancy-Fans. Auch bekannt als „das Kaliber, was es immer noch nicht mit einer .223 Rem aus einem viel zu kurzen Lauf aufnehmen kann“. Hurr.

Davon unabhängig ist übrigens die Diskussion über „Kurzwaffen mit Anschlagschaft„, ein Konzept, das ich viel mehr schätze.